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Elefanten vergessen nicht

Elefanten vergessen nicht

Titel: Elefanten vergessen nicht
Autoren: Agatha Christie
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dran ist.«
    »Ich brauche keine Rede zu halten«, sagte Mrs Oliver. »Ein paar andere Leute, die so etwas gern tun, werden das übernehmen. Sie machen es viel besser als ich.«
    »Ich bin überzeugt, Sie würden eine wunderbare Rede halten, wenn Sie wirklich wollten«, sagte Maria, als ob sie sie in Versuchung führen wollte.
    »Nein, bestimmt nicht«, wehrte Mrs Oliver ab. »Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Ich kann keine Rede halten. Ich rege mich auf und werde nervös und würde wahrscheinlich stottern oder zweimal dasselbe sagen. Ich würde mir nicht nur dumm vorkommen, sondern sicher auch so aussehen. Ich kann mit dem Wort umgehen, wenn ich schreibe oder auf Band spreche oder diktiere. Ich kann mit der Sprache umgehen, solange es sich nicht um eine Rede handelt.«
    »Na ja. Es wird schon alles klappen. Ich bin ganz sicher. Ein großes Essen, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Mrs Oliver sehr bedrückt. »Ein ganz großes Essen.«
    Und warum, überlegte sie, sprach es aber nicht aus, warum in aller Welt gehe ich hin? Sie grübelte darüber nach, da sie immer gern wusste, warum sie etwas tat, statt erst zu handeln und sich danach nach dem Grund zu fragen.
    »Ich nehme an«, sagte sie laut zu sich selbst, denn Maria war in die Küche zurückgeeilt, weil es nach übergekochter Marmelade roch, die gerade auf dem Herd stand, »ich wollte mal wissen, wie so etwas ist. Immer wieder werde ich zu solchen literarischen Essen oder so was Ähnlichem eingeladen, und nie gehe ich hin.«
     
    Mrs Oliver war beim letzten Gang des Essens angelangt und seufzte zufrieden auf, während sie mit den Resten der Meringe auf ihrem Teller spielte. Meringen mochte sie besonders gern, und hier waren sie der köstliche letzte Gang eines sehr köstlichen Essens. Trotzdem, wenn man in ein gewisses Alter kam, musste man mit Meringen vorsichtig sein. Die Zähne! Sie sahen gut aus, sie hatten den großen Vorteil, nicht wehtun zu können, sie waren weiß – genau wie echte. Aber sie waren eben nicht echt. Und Zähne, die nicht echt waren – so glaubte wenigstens Mrs Oliver –, waren auch nicht aus erstklassigem Material. Hunde, hatte man ihr erzählt, hatten Zähne aus echtem Elfenbein, menschliche Wesen aber nur aus einer knochenähnlichen Substanz. Oder – wenn sie falsch waren – aus Kunststoff. Jedenfalls war der springende Punkt, man durfte nicht in peinliche Situationen kommen, in die einen falsche Zähne bringen konnten. Salat war problematisch, und Salzmandeln, und Dinge wie Schokolade mit hartem Kern, Karamellbonbons und die köstliche Zähigkeit und Klebrigkeit von Meringen. Mit einem zufriedenen Seufzer erledigte sie den letzten Bissen. Es war ein gutes Essen gewesen, ein sehr gutes sogar.
    Mrs Oliver spürte ein großes Wohlbehagen. Sie hatte den Lunch wirklich genossen. Auch die Gesellschaft hatte sie genossen. Das Essen, das zu Ehren berühmter Schriftstellerinnen gegeben wurde, hatte sich glücklicherweise nicht auf Damen allein beschränkt. Es waren auch Schriftsteller da, und Kritiker, Leute, die Bücher lasen, und andere, die sie schrieben. Mrs Oliver saß zwischen zwei ganz reizenden Vertretern des männlichen Geschlechts. Der eine war Edwyn Aubin, dessen Gedichte sie sehr schätzte, ein Mann, der sehr unterhaltsam von seinen Auslandsreisen und allerlei literarischen und persönlichen Erlebnissen erzählte. Außerdem interessierte er sich sehr für Restaurants und gutes Essen, und sie hatten sich ganz vergnügt darüber unterhalten und das Thema Literatur weggelassen.
    Sir Wesley Kent an ihrer andern Seite war ebenfalls ein angenehmer Nachbar. Er hatte reizende Bemerkungen über ihre Bücher gemacht und das mit so viel Takt, dass sie darüber nicht in Verlegenheit geriet, wie das so viele Menschen ohne Weiteres fertig brachten. Er hatte den einen oder anderen Grund genannt, warum er das eine oder andere ihrer Bücher besonders gut fand, und es waren gute Gründe gewesen, und deshalb hatte er Mrs Oliver sehr gefallen. Lob von Männern, dachte Mrs Oliver bei sich, kann man immer annehmen. Frauen waren überschwänglich. Was manche Frauen ihr so schrieben! Also wirklich! Natürlich nicht immer nur Frauen. Manchmal auch gefühlvolle junge Männer aus fremden Ländern. Erst letzte Woche hatte sie einen Verehrerbrief erhalten, der so begann: »Ich habe Ihr neuestes Buch gelesen und fühle, was für eine edle Frau Sie sind.« Nach der Lektüre von The Second Goldfish war der junge Mann in eine richtige literarische
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