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Elefanten vergessen nicht

Elefanten vergessen nicht

Titel: Elefanten vergessen nicht
Autoren: Agatha Christie
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nicht wahr? Vier oder fünf Wochen, vielleicht sechs.«
    »Sogar schon länger. Zwar war ich früher Celias Erzieherin, aber ich kam zurück, um Lady Ravenscroft zu unterstützen.«
    »Lady Ravenscrofts Schwester wohnte damals auch gerade im Haus, nicht wahr?«
    »Ja. Sie war einige Zeit zur Behandlung im Krankenhaus gewesen. Ihre Gesundheit hatte sich wesentlich gebessert, und die Ärzte meinten, dass es gut für sie wäre, ein normales Leben bei ihren Verwandten und in häuslicher Atmosphäre zu führen. Da Celia im Internat war, schien es Lady Ravenscroft der geeignete Zeitpunkt, um ihre Schwester einzuladen.«
    »Mochten sich die beiden Schwestern gern?«
    »Das war schwer zu sagen«, meinte Mademoiselle Meauhourat. Ihre Brauen zogen sich nachdenklich zusammen, als ob Poirots Frage ihr besonderes Interesse geweckt hätte. »Ich habe darüber nachgedacht, wissen Sie. Ich habe seitdem so viel überlegt. Es waren eineiige Zwillinge. Es bestand eine Bindung zwischen ihnen, aus gegenseitiger Abhängigkeit und Liebe, sie waren sich in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Aber in manchen anderen Dingen waren sie sich gar nicht ähnlich.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Ich wäre sehr froh, wenn ich wüsste, was Sie meinen.«
    »Ach, das hat nichts mit dem Ereignis zu tun. Aber da war ein gewisser – wie soll ich es sagen –, ein gewisser physischer oder psychischer Defekt – wie immer Sie das auch bezeichnen wollen… Manche Leute vertreten heutzutage ja die Theorie, dass es für jede geistige Störung eine physische Ursache gibt. Ich glaube, dass die Medizin ziemlich klar erkannt hat, dass eineiige Zwillinge mit einer starken Bindung zueinander geboren werden, einer großen Charakterähnlichkeit, dass, auch wenn sie in verschiedener Umgebung aufwachsen, ihnen zur gleichen Zeit die gleichen Dinge zustoßen. Sie entwickeln sich ähnlich. Manche in der Medizin angeführten Beispiele sind ganz ungewöhnlich. Da sind zum Beispiel zwei Schwestern. Die eine lebt in England, die andere vielleicht in Frankreich. Sie haben den gleichen Hund, den sie sich ungefähr zur selben Zeit ausgesucht haben. Sie heiraten Männer, die sich ähnlich sind. Sie bringen ein Kind zur Welt, fast genau im selben Monat. Es ist, als hätten sie immer dem gleichen Plan zu folgen, egal, wo sie sind, und ohne zu wissen, was der andere tut. Und dann gibt es das genaue Gegenteil. Eine Art Ablehnung, fast Hass, sodass die eine Schwester die andere zurückstößt, oder ein Bruder den andern meidet, als ob sie vor der Gleichheit, der Ähnlichkeit, der Gemeinsamkeit fliehen wollten. Und das kann zu sehr eigenartigen Resultaten führen.«
    »Ich habe davon gehört«, sagte Poirot, »und es ein paar Mal selbst erlebt. Liebe kann sehr leicht in Hass umschlagen. Es ist leichter zu hassen, wo man einmal geliebt hat, als gleichgültig zu werden.«
    »Sie wissen gut Bescheid«, sagte Mademoiselle Meauhourat.
    »War Lady Ravenscrofts Schwester ihr sehr ähnlich?«
    »Im Aussehen waren sie sich sehr ähnlich, obwohl ihr Gesicht anders war. Sie befand sich in einem Spannungszustand, den Lady Ravenscroft nicht an sich kannte. Sie hatte eine starke Abneigung gegen Kinder. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht hatte sie früher einmal eine Fehlgeburt. Vielleicht hatte sie sich immer ein Kind gewünscht und nie eines bekommen. Aber irgendwie konnte sie Kinder nicht ausstehen. Sie mochte sie nicht.«
    »Das hat auch ein- oder zweimal zu ernsten Schwierigkeiten geführt, nicht wahr?«
    »Hat Ihnen das jemand erzählt?«
    »Ich habe einiges von Leuten erfahren, die die beiden Schwestern kannten, als sie in Indien waren. Lady Ravenscroft lebte mit ihrem Mann dort, und ihre Schwester Dolly besuchte sie. Damals hatte ein Kind einen Unfall, und man sagte, dass Dolly zum Teil dafür verantwortlich war. Es gab keine definitiven Beweise, aber soviel ich hörte, ließ Mollys Gatte seine Schwägerin nach England bringen, wo sie wieder zur Behandlung in ein Sanatorium kam.«
    »Ja, so ähnlich muss es gewesen sein. Natürlich weiß ich das nicht aus eigener Anschauung.«
    »Ich sehe eigentlich auch keinen Grund, diese lang zurückliegende Geschichte wieder ins Bewusstsein zu rufen. Es ist wohl besser, die Dinge ruhen zu lassen, wenn man sie einmal akzeptiert hat. – Jene Tragödie in Overcliffe hätte Verschiedenes sein können, Doppelselbstmord, Mord oder etwas anderes. Man hat Ihnen berichtet, was geschah, aber aus einer kleinen Bemerkung von Ihnen entnehme ich, dass Sie es schon
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