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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts
Autoren: Helene Henke
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unüblich im Dorf, mit Naturalien zu bezahlen. Sie ging sparsam mit dem Papier um, beschrieb stets beide Seiten in engen Abständen. Manchmal machte sie Quernotizen, um sogar den Rand zu nutzen. Wenn es dem Schulmeister also gefiel, daraus ein Geheimnis zu machen, sollte es sie nicht weiter kümmern.
    Unter einem leisen Ächzen hob sie den Wäschekorb an und stemmte ihn in die Hüfte. Mit dem freien Arm wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und lockerte die Verschnürung ihres Mieders. Sie machte sich auf den Weg am Ufer entlang zu der Stelle, die ihr für gewöhnlich den bequemsten Aufstieg zum Feldweg ermöglichte. Auf der anderen Seite des Baches ließ die üppige Vegetation kaum einen Blick auf das düstere Schloss zu. Efeu und Moosgewächse zogen sich über das Gemäuer, so weit das Auge reichte, wie bei einem verwunschenen Märchenschloss. Angeblich gab es dort keine Fenster. Aus ihrem Blickwinkel sah sie zwar tatsächlich keine, dennoch hielt sie es für unwahrscheinlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand freiwillig im Dunkeln leben wollte. Oft genug lagen in Festungsanlagen Fenster und Schießschächte in von außen unerreichbarer Höhe, um etwaige Angriffe rechtzeitig abwehren zu können. Letztlich konnte es ihr egal sein, dass es keine Fenster gab, denn so fühlte sie sich unbeobachtet, wenn sie am Ufer des Baches saß. Sie hielt sich gern hier auf, zog es jedoch vor, dazusitzen und sich von dem geheimnisvollen Gemäuer inmitten saftiger Weiden inspirieren zu lassen, anstatt sich mit schmutziger Wäsche zu beschäftigen. Nirgendwo sonst in Lochdon hatte sie mehr das Gefühl, auf einer einsamen Insel inmitten der großen Ozeane zu sein. Es gab nur einen Zugang zur Burg, auf der anderen Seite, kurz vor der Steilklippe zum Atlantik. Dort trafen der Sund von Mull, Loch Linnhe undder Firth of Lome zusammen. Doch kein Dorfbewohner hielt sich freiwillig in der Nähe von Duart Castle auf. Stattdessen machten regelmäßig zahlreiche Schauergeschichten über die Macleans die Runde.
    „Na, wen haben wir denn da? Die holde Sue mit den schwingenden Röcken.“
    Sue schattete die Augen ab und blickte zur Uferböschung hinauf. Mit einem Seufzen wandte sie den Blick wieder ab. Sheriff Black saß hoch zu Ross und blickte mit zusammengekniffenen Lidern zu ihr herab. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
    „Ich würde es sehr begrüßen, wäre es mir gestattet, anstatt der Röcke Beinkleider zu tragen, Sir“, erwiderte Sue und nahm sich vor, ihn zu ignorieren. Sicher würde er bald weiterziehen und seine abendliche Runde pflichtbewusst fortsetzen.
    „Immer einen kecken Spruch auf den Lippen, unsere Sue.“ Der Sheriff stieß einen Laut aus, der entfernt einem Lachen ähneln mochte.
    Mit einem leisen Stöhnen klemmte sich Sue den Wäschekorb fester unter den Arm und stieg mit gerafften Röcken die Böschung hinauf. Wohl wissend, dass sein Blick ihr folgte. Das Pferd scheute ein paar Schritte zur Seite, während Sue an ihm vorbeiging. Das Jagdgewehr geschultert, zügelte der Sheriff die Stute, machte aber keine Anstalten fortzureiten. Stattdessen ritt er im Schritttempo neben ihr her.
    Möglichst beiläufig richtete sie ihr Brusttuch und stopfte es in ihren Ausschnitt. Das musste reichen, um ungewollte Blicke abzuwehren. Für die Verschnürung des Mieders hätte sie beide Hände gebraucht. Außerdem wollte sie die Aufmerksamkeit des Mannes nicht mehr erregen als nötig. Seine Anwesenheit war ihr unangenehm genug, denn Black nahm seine Aufgabe als Ordnungshüter ernster als es die meisten Dorfbewohner für angebracht hielten. Viel zu oft wurde unter seinem Urteil der Schandpfahl auf dem Dorfplatz genutzt. Nicht selten für Vergehen, die in keiner Relation zur Härte der Strafe standen. Zusätzlich hatte Black ein Halseisen an einer Kette ins Mauerwerk der Kirche schlagen lassen, weil ihm ein Pranger für Lochdon nicht ausreichend erschien.
    „Du solltest dich nicht so weit vom Dorf entfernen“, mahnte Black. „Bald ist Sperrstunde, dann sollten alle in ihren Häusern sein.“
    „Bis dahin dauert es noch ein paar Stunden.“ Sue steuerte entschlossen auf den Weg zum Dorf zu.
    Nach und nach lichteten sich die Schatten spendenden Baumgruppen, bis der Weg auf freiem Feld auslief. Sue reckte das Kinn und genoss die angenehm kühle Brise. Hinter ihr vernahm sie die Hufgeräusche. Kurz darauf zog der Sheriff neben ihr auf.
    „Trotzdem solltest du nicht hierherkommen. Es ist nicht ungefährlich, sich allein in
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