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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts
Autoren: Helene Henke
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belästigt.“ Sue atmete tief ein und genoss diesen kurzen Augenblick der Leichtigkeit. Völlig unbedarft konzentrierte Sean sich auf die Steinchen, die er mit den Schuhspitzen vor sich hertrat.
    Die einzige Straße im Dorf führte zum weitläufigen Brunnenplatz und war erfüllt vom abendlichen Treiben der Bevölkerung. Letzte Einkäufe wurden getätigt, Hühner über die angrenzenden Höfe getrieben und Kinder in die Häuser gerufen. Allmählich schlossen die Läden und Männer kehrten nach getanem Tagewerk in das Wirtshaus ein, um sich einen Whisky zu genehmigen. Das Haus ihrer Tante Meggie lag am Ende der Ortschaft und dürfte zu den vornehmsten im Ort zählen. Es war vollständig aus Stein gebaut und verfügte über zwei Stockwerke. Aus dem Nachlass ihrer Eltern erhielt Sue eine jährliche Zahlung von 80 Pfund, wodurch ihr und Tante Meggie ein bescheidenes Auskommen gesichert war.
    Einem Wirbelwind gleich rauschte Sue in die Wohnstube und wuchtete den Korb in die Ecke. Das Aufhängen der Wäsche konnte warten. Mit kräftigen Tritten beförderte sie ihre Pantinen in eine Ecke und streifte die durchnässten Schafwollsocken ab. Immer noch schnaubend über ihre Begegnung mit dem Sheriff stülpte sie warme Filzpantoffeln über.
    Am Dorfrand hatte sie darauf bestanden, den Korb wieder selbst zu tragen, damit Sean sich auf den Weg zur Schreinerei machen konnte. Außerdem brachten es ein paar Tratschweiber tatsächlich fertig, ihr eine Liaison mit ihm nachzusagen. Zwar war das zu albern, um ihrem Ruf auch nur annähernd schaden zu können, doch für Sean könnte das weiteren Anlass für spöttische Bemerkungen bedeuten. Das wollte Sue vermeiden.
    Sie fand ihre Tante in der Küche bei den Vorbereitungen für das Abendessen.
    „Stell dir vor, da taucht der Sheriff doch tatsächlich am Bach auf und weist mich auf seinen Antrag hin. Ich werde auf keinen Fall diesen menschenverachtenden Emporkömmling ehelichen.“ Sie ließ sich auf die Holzbank fallen und griff nach dem Weinkrug, den ihre Tante ihr reichte.
    „Oh, sieh dir deine Hände an, Kind. Sie sind ganz aufgesprungen. Komm, setz dich. Ich werde sie dir einreiben.“ Meggie holte aus dem Regal ein Tontöpfchen mit fettiger Salbe. Eine Mischung aus Schweineschmalz und Mandelkleie. „Hat die Schneeblume wieder zugeschlagen? Deine schönen Hände. Sie sollten Geschichten schreiben und keine Wäsche waschen.“
    Sue lächelte über die alte Bezeichnung für Aschelauge. „Ach, das macht mir nichts aus. Meine Geschichten sammle ich in meinem Kopf und eines Tages werde ich sie aufschreiben. Aber hast du mir überhaupt zugehört?“
    „Natürlich. Ich höre dir immer zu, Kind.“
    „Ich meine, da würde ich noch eher Sean heiraten.“ Sue trank und hätte sich beinahe verschluckt.
    „Sean ist ein lieber Junge.“ Meggie zwinkerte ihr zu.
    „Tante“, echauffierte sich Sue. „Du wirst den Gedanken doch nicht etwa in Betracht ziehen? Was Sean braucht, ist eine Pflegerin und kein Eheweib.“ Sie zog ihre Haube ab und strich sich mit beiden Händen die Locken nach hinten. „Ich weiß wirklich nicht, was in Black gefahren ist, sich ausgerechnet mich auszusuchen.“
    „Das weißt du nicht, Kind? Nun, dann schau doch mal in den Spiegel. Deine Schönheit ist engelsgleich, selbst unter dieser verwaschenen Haube. Kein Mädchen im Dorf kann dir das Wasser reichen. Warum sonst reden sie über dich?“
    Meggie griff nach ihren Händen, um mit kraftvollen Bewegungen die Salbe in ihre Haut zu massieren. Lächelnd beobachtete Sue sie. Es wäre sinnlos, ihr zu widersprechen. Seit ihrer Kindheit konnte Meggie Stunden damit verbringen, ihr das Haar zu bürsten, nachdem sie sie in ihre Sonntagskleidung gesteckt hatte. Das eigene Kind war eben immer das Schönste und ihre Tante war wie eine Mutter.
    „Sheriff Black ist ein angesehener Bürger und keine schlechte Partie.“ Tante Meggie sprach, ohne den Blick zu erheben.
    „Ja, und er verbringt die meiste Zeit auf der Festungsinsel in diesem furchtbaren Gefängnis, in dem seine Sträflinge unter unwürdigen Bedingungen dahinvegetieren.“
    Sue forschte in Maggies Gesicht, weil sich der Verdacht regte, dass ihre Tante keinen Ausweg aus der Situation wusste. Was für ein beunruhigender Gedanke.
    „Du solltest nicht so hochmütig daherreden, Kind. Manchmal erweist sich ein augenscheinliches Übel lediglich als das kleinere.“
    „Im Vergleich zu was? Einen Mann zu heiraten, den ich füttern muss oder als alte Jungfer zu verwelken? Wenn
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