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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts
Autoren: Helene Henke
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ungefähr doppelt so alt sein wie sie. Black umgab in manchen Momenten etwas Erhabenes, besonders, wenn er in Goldketten geschmückter Amtskleidung seine Urteile verkündete. Sein Hammerschlag ließ jedes Gemeindemitglied erbeben. Seine Haltung war Ehrfurcht gebietend und sein Blick schien die Erfahrungen von Jahrhunderten zu beherbergen. Seltsamerweise strömte kein unangenehmer Geruch von ihm aus, wenn man von der leichten Alkoholfahne absah. Von anderen Männern konnte man das nicht behaupten. Über die Tatsache, dass die Heiratsanträge in den vergangenen Jahren abgenommen hatten, war sie zweifellos erleichtert. Anscheinend wurde sie den Freiern im Dorf langsam zu alt, zumal sie über keine nennenswerte Aussteuer verfügte. Auch wenn ihre Tante hin und wieder ihr Bedauern darüber aussprach, schien sie letztlich keine allzu große Dringlichkeit zu sehen, Sue unter die Haube zu bringen.
    „Das bist du wohl. Schade auch. Doch liegt es nicht bei dir, darüber zu befinden, welches Weib ich wähle“, entgegnete Black.
    Empört blickte Sue zu ihm auf, wagte sich aber nicht, etwas zu erwidern. Er war der Sheriff und konnte ungestraft sagen, was ihm beliebte. Doch er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt, als wollte er ihrem Blick ausweichen. Widersinnig. Scheinbar kamen ihm seine Worte in ihrer Gegenwart weniger leichtfertig über die Lippen. Tatsächlich musste Sue eingestehen, dass der Sheriff der einzige Mann in Lochdon war, den man als gute Partie bezeichnen konnte. Die Frau an seiner Seite dürfte sich keine Gedanken mehr über lästiges Wäschewaschen machen müssen. Doch der grausame Zug in seinen Mundwinkeln erinnerte immer wieder daran, dass Sheriff Black kein Mann von großen Gefühlen war. Wenn er überhaupt über welche verfügte.
    Black tippte zum Gruß an seine Hutkrempe und gab seinem Pferd die Sporen. Sue hielt inne. Mit einem unguten Gefühl im Bauch lauschte sie den sich entfernenden Hufschlägen, die sich dem Takt ihres Herzschlages anzupassen schienen. Es sah nicht danach aus, als ließe sich der Sheriff davon abbringen, sie zu ehelichen. Vermutlich würde er in kürzester Zeit ihrer Tante einen offiziellen Besuch abstatten, um in aller Form eine Antwort zu erzwingen. War es Tante Meggie bislang gelungen, Heiratswillige von ihrem Vorhaben abzubringen, befürchtete Sue in diesem Fall keinen positiven Ausgang. Sie rieb sich über die Lippen. Es musste einen Ausweg geben. Notfalls würde sie zurückkehren in das leerstehende Haus ihrer Eltern. Tante Meggie würde sich bestimmt von der Notwendigkeit überzeugen lassen, ihren Heimatort zu verlassen, wenn es um das Wohl ihrer Nichte ging.
    Neben ihr sah Sean sie mit gesenktem Kopf an.
    „Ach, Seany, wärst du doch nur gesund. Dich würde ich sofort heiraten.“
    Er quittierte ihr Lächeln mit einem zufriedenen Grunzen, wobei ein Speichelfaden aus seinem Mundwinkel floss. Obwohl Sean offensichtlich nicht in der Lage war, die einfachsten Dinge zu lernen und sich emotional wie ein Kleinkind verhielt, hatte er dennoch etwas Liebenswertes an sich. Inzwischen empfand sie ihm gegenüber wie für einen Bruder. Als Mann hingegen konnte man Sean weiß Gott nicht bezeichnen.
    Der Weidenkorb drückte schmerzhaft gegen ihre Hüfte. Ihr überdehnter Arm fühlte sich an, als müsste er doppelt so lang sein. Sie bemühte sich, nicht darüber nachzudenken, welche Strecke noch vor ihr lag, bis sie das Dorf erreichte. Seufzend hielt sie inne, um den Korb auf die andere Seite zu wuchten. Mitten in der Bewegung griff Sean schwungvoll den Korb und klemmte ihn sich unter den Arm, als würde er nichts wiegen. Ehe sie protestieren konnte, lief er schon voraus. Seine langen Schritte ließen kleine Staubwolken aufstieben. Sie stieß einen Laut der Empörung aus, den sie ebenso gut in den Wind hätte rufen können. Verdutzt blickte sie auf seinen sich langsam entfernenden breiten Rücken. Da sollte mal einer behaupten, Sean verfüge über kein Einfühlungsvermögen. Sie hob ihre Röcke an und eilte hinterher. Ein Genuss, sich ohne Ballast im Laufschritt zu bewegen. Rasch hatte sie Sean eingeholt, hakte sich bei ihm unter und lehnte den Kopf gegen seinen Oberarm. Bis zur Schulter reichte es nicht, dazu hätte sie auf einen Schemel steigen müssen. Seine Arme und Beine waren so dürr, dass Hände und Füße viel zu groß wirkten.
    „Vielleicht sollten wir beide durchbrennen, hinaufziehen in die Highlands, wo uns keine Menschenseele mit Heiratsanträgen und Hänseleien
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