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Eiskalte Hand

Eiskalte Hand

Titel: Eiskalte Hand
Autoren: Claudia Muther
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dem ausgemergelten Land. Hier wuchsen keine Bäume, nur vereinzelt streckte ein vertrockneter Busch seine Äste der Sonne entgegen. Eine Qual für die, die sich hier aufhalten mussten. Die Tiere machten es richtig. Bis auf ein paar Eidechsen und Schlangen suchten sie im Sommer das Weite. Erst im Herbst, wenn die Temperaturen sanken und der Regen einsetzte, kehrten sie zurück. Die Menschen waren da dümmer. Sie hielten sich das ganze Jahr über hier auf, trotzten Hitze und Wassermangel. Vielleicht meinten sie ja, dass ihnen jemand während ihrer Abwesenheit diese Einöde wegnehmen könnte.
     
    Die Patrouille hatte die Trümmer vor wenigen Minuten entdeckt. Überreste von zwei Wagen. Kampfspuren. Zerbrochene Waffen. Ein wenig Blut, das gierig von der vertrockneten Erde aufgesaugt wurde. Fast wie eine schwarze Spur auf dem sandigen Untergrund. Leutnant Huan begutachtete die Situation. Sehr genau schaute er sich jedes einzelne Teil, jede einzelne Spur an. Vorsichtig schob er das eine oder andere Trümmerteil mit seinem Fuß oder dem Krummsäbel beiseite, grübelte immer wieder konzentriert nach. Seine zwölf Soldaten standen derweil abwartend am Rand der Szene und passten auf ihre erschöpften Pferde auf. Auch denen setzte die Hitze mächtig zu.
     
    ‚Was mochte hier passiert sein?‘, sinnierte er und versuchte den salzigen Schweiß zu ignorieren, der ihm von der Stirn lief. Alles sah nach einem weiteren Überfall aus. In der letzten Zeit wurden häufiger kleinere Transporte und Karawanen überfallen. Nichts Ungewöhnliches für diese Gegend. In den drei Jahren, die Huan in der Garnison von Wan La stationiert war, gehörten solche Überfälle zum Standardgeschäft. Meistens handelte es sich um marodierende Banden von Grünhäuten, die aus der nördlichen Ödnis einfielen, sich ein wenig Beute schnappten und dann verschwanden. So manche davon hatten die quandalischen Patrouillen aufgebracht und sie für ihre Verbrechen bezahlen lassen. Huan grinste beim Gedanken an aufgespießte Ork- und Hobgoblinköpfe. Doch hier war irgendetwas anders. Bloß was? Dem hochgewachsenen, schlanken Mann wollte einfach nicht einfallen, was ihn an dieser Szene störte. Ungeduldig stapfte er weiter durch die Trümmerlandschaft. „Entschuldigt, Leutnant, die Pferde und auch die Soldaten sind erschöpft.“ Korporal Uth hatte Haltung vor ihm angenommen und stand stramm wie ein Soldat auf dem Exerzierplatz. „Wir sollten in die Garnison zurückkehren, bevor es dunkel wird, Herr.“ Huan musterte seinen Adjutanten. Uth war ein treuer Soldat, äußerst korrekt. Er hielt immer den Kodex der quandalischen Armee bis ins Kleinste hinein ein. Und seine Kavallerieuniform saß selbst nach einem so anstrengenden Tag glatt und faltenfrei. Schon zahlreiche male hatte Huan sich gefragt, wie er das wohl mache – ohne jemals eine brauchbare Antwort darauf gefunden zu haben. Der Leutnant nickte. „Du hast recht. Die Leute brauchen eine Ruhepause. Hier können wir sowieso für niemanden etwas tun…“ Noch einmal schaute er sich um. Da schoss Huan plötzlich in den Sinn, was ihn die ganze Zeit über gestört hatte. Auf dem ganzen Schlachtfeld gab es keine einzige Leiche zu sehen. Kein Mensch, keine Grünhaut, ja, nicht einmal eins der Zugtiere. Offenbar hatten die Sieger des Scharmützels alles und jeden mitgenommen. Das war in der Tat ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich.
     

Kapitel 3
     
     
    Der Tag schien nicht enden zu wollen. Mia wachte früher als sonst auf und versuchte, ihre üblichen Routinen ablaufen zu lassen. Aber das klappte nur bedingt. Immer wieder musste sie an den Brief und seinen Inhalt denken, fühlte sich abgelenkt und fahrig. „Du bist unprofessionell!“, schnauzte sie sich immer wieder selbst an, „Reiß dich am Riemen!“ Auch die verschwommenen Bilder vom Abend zuvor kehrten noch einmal zurück. Gegen Mittag überkam es sie erneut. Es war, als betrachtete sie die Szene durch die Augen eines anderen Menschen:
     
    Ein Raum. Riesig. Alles so groß. Augenblicklich fühlte sie sich klein und verletzlich. Der Tisch, die Stühle waren mindestens doppelt so hoch wie normal. Die Bücher in dem Regal schienen mindestens halb so groß wie sie selbst. Am Fenster gegenüber stand ein Riese. Sie konnte nur seine Silhouette sehen. Alles war so undeutlich. Und er drehte ihr den Rücken zu. Interessanterweise wirkte er aber nicht bedrohlich auf sie. Keine Angst, eher Neugier und Erkennen. Wieder-Erkennen. Wer war der Riese? Woher kannte sie
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