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Champagnerkuesschen

Champagnerkuesschen

Titel: Champagnerkuesschen
Autoren: Martina Gercke
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1. Julias Facebook-Status: Hilfe, ich werde alt!
     
    Okay, das klingt ja gar nicht so schlecht! Schließlich ist heute mein dreißigster Geburtstag, und in diesem Fall gewinnt ein Horoskop eine völlig neue Bedeutung. Hier dreht es sich immerhin um mein Schicksal für das gesamte kommende Jahr. Eigentlich halte ich ja nicht viel von dem ganzen Kram wie Wahrsagen, Kristallkugeln, Kartenlesen und Horoskope. Man muss nur mal den Fernseher einschalten und einen dieser Kanäle anwählen, wo  einen eine stark geschminkte, offensichtlich in die Jahre gekommene Dame mit Tarotkarten in der Hand anlächelt, die ihren leichtgläubigen Opfern via Telefon die Zukunft voraussagt. Währenddessen bereichert sich der Sender gleichzeitig an den überhöhten Telefongebühren für das Gespräch.
    Nein, zu dieser Gruppe Mensch möchte ich mich auf keinen Fall zählen. Ich bin eine selbstbewusste, mit beiden Beinen im Leben stehende, erfolgreiche Frau, die ihr Schicksal selbst meistert. Na ja, wenn ich ehrlich bin, hält es sich mit meinem Selbstbewusstsein meistens in Grenzen. Ich bin nur selbstbewusst, wenn es mir nicht bewusst ist. Denke ich darüber nach, verlässt es mich spontan.
    Anders ist das mit Pickeln – die kommen mit einer geradezu erschreckenden Sicherheit, wenn man sie nicht gebrauchen kann. Zum Beispiel vor Vorstellungsgesprächen, ersten Dates oder, wie in meinem Fall, dem dreißigsten Geburtstag. Den Pickel, den ich heute Morgen im Spiegel entdeckt habe, sieht aus wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch.
    Trotz meiner Vorbehalte treibt mich eine gewisse Neugierde immer wieder dazu, bei jeder Zeitschrift, die ich in die Hände bekomme, als Erstes die Seite mit den Horoskopen aufzuschlagen.
    Hm, wenn ich mir das Horoskop so durchlese, könnte ich fast den Eindruck erlangen, dass der Verfasser mich persönlich damit ansprechen wollte. Das mit der Verbalerotik trifft absolut auf mich zu. Ich meine, was wäre eine Nacht mit heißblütigem Sex, wenn man sie hinterher nicht mit seiner besten Freundin bei einem Glas Sekt verbal aufbereiten kann.
    Meine Güte, jetzt bin ich schon dreißig. Ich komme mir vor wie der Gestiefelte Kater, der sich mit Riesenschritten auf die vierzig bewegt. Er in Stiefeln, ich in Hausschuhen. Ehrlich gesagt, kein schöner Gedanke. Dreißig klingt nach Falten, Kurzhaarschnitt und schlechtem Sex.
    In meinem Alter waren meine Eltern schon fünf Jahre miteinander verheiratet und hatten mich bereits in die Welt gesetzt. Meine Mutter hatte eine Dauerwelle und mein Vater (damals noch mit üppigem Haupthaar) trug eine Kickermatte auf dem Kopf. Im Radio lief „Guten Morgen, liebe Sorgen“ von Jürgen von der Lippe und im Fernsehen schlugen sich die Ewings in Dallas und die Carringtons im Denver Clan gegenseitig die Köpfe ein. Niemals hätte ich gedacht, dass der Verfall auch bei mir einsetzen würde. Und jetzt – wenn es in diesem Tempo weitergeht, kann ich mich bald im Altersheim anmelden. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
    „Schätzelein, geht es ihr gut? Sie ist ein bisschen blass um die Nase herum“, flötet Harald besorgt und nippt an seinem Glas Prosecco der Marke Holunderküsschen .
    „Ach, ich weiß nicht“, seufze ich und nehme ebenfalls einen Schluck, allerdings einen tiefen. Ich brauche Alkohol, viel Alkohol, um meinen Kummer wegen meines Alters zu ertränken. Ich meine: Hallo! Dreißig! Da sind die besten Jahre vorbei, und man befindet sich auf dem absteigenden Ast. Zumindest rein biologisch betrachtet. Bei Männern ist das anders. Männer sind wie alter Wein, sie werden mit der Zeit vollmundiger und reifer. Wir Frauen hingegen werden faltig und sauer. So sieht es nämlich aus! Ich leere das Glas mit einem Schluck.
    „Also wirklich, Liebelein, sie tut ja gerade so, als sei heute ihre Beerdigung“, seufzt Harald und gibt Robin ein Zeichen. Wie ein Jünger seinem Guru folgt, eilt Robin mit kleinen Tippelschritten herbei. Dabei sieht er in seinen Klamotten wie ein Tokio Hotel -Klon aus.
    „Was sie jetzt dringend braucht, ist eine Haarwäsche!“ Harald nickt in meine Richtung. Robin stellt, ohne eine Miene zu verziehen, die Handbrause an. Eine Haarwäsche ist Haralds Patentrezept für Kummer jeglicher Art, und ich muss zugeben – es funktioniert. Irgendwie riecht es plötzlich nach dieser Sonnencreme, die ich im Urlaub an der Mittelmeerküste Italiens mal benutzt habe.
    „Was duftet denn hier so?“, schnuppere ich.
    Robin zieht die sorgfältig gezupfte Augenbraue hoch.
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