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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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Bette-Davis-Augen und ist beneidenswert dünn. So dünn, dass ich ihr jedes Mal, wenn ich sie sehe, am liebsten ein Pfund Schweineschmalz in den Rachen stopfen würde. Von Frauensolidarität hat sie auch noch nie etwas gehört, denn sie vermittelt ihren Geschlechtgenossinnen nur zu gern das Gefühl, dass sie etwas Besseres ist. Vor allem, wenn es um Männer geht. Okay, ich hatte die einmalige Gelegenheit, hautnah mitzuerleben, wie sie sich James an den Hals geworfen hat, aber blöd, wie ich manchmal bin, hab ich sie nicht ernst genommen. Schließlich ist sie Schauspielerin, hab ich gedacht, und James ein erfolgreicher Produzent. Ob es mir gefällt oder nicht, hab ich gedacht, das gehört eben zum Geschäft.
    Keine Spur von weiblicher Intuition. Kein sechster Sinn. Kein Gespür für den drohenden Blitz aus heiterem Himmel. Und genau das war mein Verderben. Innerhalb eines einzigen Tages habe ich alles verloren: meinen Freund, mein Zuhause, sogar meine Karriere. Denn so sehr ich meinen Job liebe – auch wenn Anna mich die Hälfte der Zeit wahnsinnig macht –, ist es eben auch so, dass unsere Agentur Sophie Kelly alias Heliumstimme vertritt, und ich könnte nicht damit umgehen, dass ich, wenn sie anruft und Castingtermine möchte, nett zu ihr sein muss. Vielleicht bin ich eine schlechte Verliererin, aber ich würde mir lieber den Arm abbeißen, als nett zu ihr sein. Und dann auch noch die ganzen Klienten in der Agentur. So etwas spricht sich doch rum wie ein Lauffeuer. Auf die Buschtrommeln der Schauspieler wäre jeder Pygmäe neidisch.
    Mein Leben ist eine ziemlich jämmerliche Geschichte, stimmt’s? Achtundzwanzig Jahre auf der Welt, und es ist mir gelungen, ein totales Chaos anzurichten. Also ehrlich, im Grunde müsste man meinen Kopf vor dem Büro der Dating-Polizei für jeden sichtbar zur Schau stellen, als warnendes Beispiel für alle weiblichen Singles, die sich irgendwelchen Mist von den Männern gefallen lassen. Und was könnte ich zu meiner Verteidigung vorbringen? Dass die Liebe uns alle zu hoffnungslosen Romantikern degradiert? Na toll.
    Und das Groteske an der Geschichte ist, dass ich erst ins Koma fallen musste, um das zu begreifen.
    »Du musst mir glauben«, blubbert James unterdessen weiter. »Es gab einfach keine Gelegenheit. Ich hatte nie vor, mich in Sophie zu verlieben, aber du weißt ja, wie das ist. Nicht du suchst die Liebe, sondern die Liebe sucht dich …«
    Schon wieder ein Text, den ich aus einer deiner grottigen
TV
-Sendungen kenne. Wahrscheinlich war es eine von denen, die nicht mal den Strom wert waren. Was willst du hier eigentlich? Dein Gewissen erleichtern? So egoistisch, wie du bist, wäre es ja kein Wunder, dass du bloß gekommen bist, um dich nachher besser zu fühlen.
    Ja, das erscheint mir die wahrscheinlichste Erklärung zu sein.
    Er findet kein Ende mit seiner Zerknirschung, er weiß gar nicht, was mit ihm los war, der Teufel muss ihn geritten haben. Er möchte mir allen Ernstes einreden, dass Sophie Kelly ihn gnadenlos verfolgt und ihn sich praktisch mit Gewalt gefügig gemacht hat. Dabei hat der arme James sich doch die ganze Zeit so vorbildlich verhalten, ein Muster an Treue und Anstand, unschuldig wie ein Chorknabe, der nur immer wieder flehen konnte: »Lass ab von mir, Dirne!« Versteht mich nicht falsch, ich würde ihm wirklich liebend gerne glauben, aber ich weiß, dass das, was er mir hier auftischt, von A bis Z Bockmist ist. Also schalte ich ab, gleite wieder in die Tiefe hinunter, in die friedvolle Stille, und lasse ihn alleine weiterplappern.
    Nur um mir ein bisschen die Zeit zu vertreiben, zähle ich im Kopf nach, wie oft Kate mich gedrängt hat, ich soll mich von James trennen. Du hast den ganzen Scheiß nicht nötig, hat sie immer gesagt. Der Kerl ist Gift für dich. Aber ich liebe ihn, habe ich jedes Mal geantwortet. Die ultimative Verteidigung aller Liebesdoofen.
    Als ich wieder empordrifte, ist James immer noch da, riecht nach Burberry und schlechtem Gewissen und sülzt weiter, was das Zeug hält.
    »Ich bin mehr oder weniger zufällig zum Filmfestival nach Venedig gefahren, und jetzt … na ja, jetzt bin ich ziemlich sicher, dass sie die Richtige für mich ist. Es tut mir leid, Charlotte, ganz ehrlich.«
    Nein, eigentlich bin ich diejenige, der es leidtut. Der es leidtut, so viele Jahre an dich verschwendet zu haben, die ich viel besser hätte anderswo verbringen können. Dich so sehr geliebt zu haben, dass es weh tat. So idiotisch naiv gewesen zu sein,
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