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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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für »Ersatzsofa« auf die Rechnung setzt.
    Ja, ich war scharf auf ihn, wie wahrscheinlich jede Frau mit einem einigermaßen funktionsfähigen Blutkreislauf, aber ich habe mich keine Nanosekunde der Illusion hingegeben, er hätte das Zeug für eine feste Beziehung. Ganz ehrlich, ich war NICHT interessiert. Ich weiß sogar noch, dass ich ihn nach unserer ersten Begegnung nur ein einziges Mal gegoogelt habe. So wenig Interesse brachte ich James entgegen. Wodurch sich der Verdacht aufdrängt, dass ihn genau das angezogen hat. Deshalb hat er mir den Hof gemacht.
    Der Job eines Produzenten besteht darin, andere Leute zu überreden. Sie überreden Schauspieler, in ihren Filmen die Hauptrolle zu übernehmen, sie überreden Investoren, Geld dafür lockerzumachen, sie überreden das Publikum, dass der Film, der dabei herauskommt, der absolute Hit ist. Und diese Taktik hat James auch bei mir angewandt. Er hat mich überredet, mit ihm auszugehen, er hat mich dazu gebracht, mich in ihn zu verlieben und nach lächerlich kurzer Zeit bei ihm einzuziehen. Wie es sich für ein wandelndes Klischee gehört, war ich überzeugt, dass
ich
die Frau war, die den bösen Jungen zähmen und in ein Schmusekätzchen verwandeln würde, das auf dem Sofa sitzt und sich Filme wie
Tatsächlich Liebe
anschaut. Und seht euch an, was es mir gebracht hat. Mein Gott, jede Singlefrau auf der ganzen Welt sollte meine Geschichte wie ein Lehrbuch studieren, als Paradebeispiel für das, wie man sich unter gar keinen Umständen verhalten sollte.
    Jetzt ist James ganz dicht bei mir, ich fühle, wie er meine Hand nimmt.
    »Du bist so schön, Charlotte.«
    Offensichtlich ist das zu viel für Kate, die allem Schwachsinn gegenüber schon immer eine sehr niedrige Toleranzschwelle hatte, und ich höre, wie sie ihn anfaucht: »James, sie hat einen Schädelbruch, eine ausgerenkte Schulter, ein gebrochenes Wadenbein und ist genäht worden – und du findest, sie sieht schön aus? Glaub mir, das muss an der Beleuchtung liegen.«
    In unserer Familie geht so was als geistreich durch.
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass Gott so etwas zugelassen hat«, schnulzt James unbeirrt weiter, vermutlich, weil Mum mit im Zimmer ist. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie ihm falsche religiöse Inbrunst aus allen Poren dringt.
    »Ach wirklich?«, kontert Kate. »Hast du das Alte Testament nicht gelesen? Gott kennt keine Skrupel.«
    Wieder tritt unbehagliches Schweigen ein, aber allmählich fange ich an, das Geplänkel amüsant zu finden. Vermutlich sind die drei anwesenden Frauen die Einzigen auf der Welt, die gegen James’ legendäre Anziehungskraft immun sind. Nur damit ihr Bescheid wisst: James teilt seine Charmeoffensiven in verschiedene Phasen ein. Als Erstes fixiert er die Zielperson mit einem Laserblick, so intensiv, als gäbe es auf diesem Planeten kein anderes Lebewesen. In Phase zwei überhäuft er die bereits leicht Hypnotisierte mit allerlei einfühlsamen Fragen, die stets genau ins Schwarze treffen. Doch das Meisterstück folgt in Phase drei, in der er aus heiterem Himmel etwas dermaßen Komisches aus dem Ärmel schüttelt, dass die Zielperson nicht anders kann, als in hilf- und haltloses Gelächter auszubrechen. Ich habe miterlebt, wie er sich mit dieser Methode aus allen möglichen heiklen Situationen herausgemogelt hat, aber hier ist das nicht möglich, nicht unter diesen Umständen, und schon gar nicht vor diesem Publikum. Wenn das Koma nicht wäre, würde ich mich wahrscheinlich diebisch freuen, dass er mit seiner Masche ausnahmsweise mal nicht ankommt.
    Geschieht ihm recht.
    »Du siehst erschöpft aus, Kate«, versucht er es auf einer anderen Schiene und klingt dabei so ehrlich, dass es tatsächlich entwaffnend wirken könnte. »Und Sie auch, MrsGrey. Sie sind bestimmt am Ende Ihrer Kräfte. Warum gehen Sie nicht einfach runter in die Cafeteria und trinken einen Kaffee oder essen eine Kleinigkeit? Ich bleibe solange bei Charlotte. Ich … ich wäre wirklich gern einen Moment mit ihr allein, wenn das für Sie in Ordnung ist.«
    NEIN
! Geht bitte nicht weg, auf gar keinen Fall! Habt ihr gehört? Ich möchte nicht mit diesem Menschen allein sein!
    Aber er bekommt seinen Willen. Eine Weile gibt es widerwilliges Gemurmel, aber dann werden die Handtaschen unter die Arme geklemmt, und ich höre noch, wie Mum widerborstig brummt: »Na gut, aber in zehn Minuten bin ich wieder da«, mit einem Unterton, dem unmissverständlich der Nachsatz zu entnehmen ist: »Und es wäre
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