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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück
Autoren: Claudia Carroll
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erzählt mir mit ihrer Reibeisenstimme, dass alle Kunden nach mir fragen, wie es mir geht und wann ich endlich zurückkomme. Anna hat eine Schauspielagentur, und ich bin ihre bescheidene Assistentin, was hauptsächlich bedeutet, dass sie all die berühmten Schauspieler und Schauspielerinnen zu den Premieren und Preisverleihungen begleitet und regelmäßig den nächsten Tag mit einem fürchterlichen Kater im Bett verbringt, während ich die Stellung halte und mich bemühe, die verbleibende Kundschaft zu überzeugen, dass das Geschäft momentan etwas ruhig ist, der große Durchbruch für den oder die Betreffende jedoch sicher schon hinter der nächsten Wegbiegung wartet.
    »… und weißt du, seit du weg bist, steht das Telefon keine Sekunde still. Es klingelt ununterbrochen, ehrlich.«
    So ist das immer, Anna. Du bist nur so gut wie nie da.
    »Diese ganzen Schauspieler, mit denen ich seit Monaten nicht gesprochen habe und die jetzt unbedingt wissen wollen, warum sie nicht für die neue Serie über Heinrich den Achten zum Casting eingeladen worden sind. Ein paar sind echt unverschämt geworden, als hätte ich nicht genug um die Ohren …«
    Du musst nett zu ihnen sein. Manchen dieser Leute reicht es einfach nicht an Publicity, wenn sie mal wegen Geschwindigkeitsübertretung geblitzt werden. Ob du es glaubst oder nicht.
    »… dann steht nächste Woche auch noch das Casting für diesen großen Waschmittelwerbespot an, und ich hab keinen Schimmer, wo du die ganzen Lebenslauf-Fotos von den Leuten aufbewahrst …«
    Die sind im Aktenschränkchen mit den Lebensläufen, in einer großen Schublade. Mit der Aufschrift »Fotos«, Schwarz auf Weiß. Um sie zu finden, braucht man eigentlich keinen Uniabschluss, Anna.
    »… ich meine, der ganze Alltagskram im Büro ist einfach nicht mein Ding. Du musst wirklich aufwachen, Charlotte. Ohne dich bricht der Laden zusammen.«
    Weißt du was? Das lockt mich überhaupt nicht. Hol dir doch irgendeine Aushilfe und lass mich in Ruhe. Manche Leute haben echte Probleme, und im Vergleich zu dem, was ich grade durchmache, ist dein Leben Euro Disney.
    Gott, dieses Koma macht mich wesentlich mutiger, als ich normalerweise bin. Sonst bin ich nämlich viel zu feige, um so was auch nur zu denken.
    Im weiteren Verlauf gibt es noch mehr Lärm, Gebrabbel und Gedöns, fast so, als würde zu meinen Ehren eine Party veranstaltet, an der ich selbst leider nicht teilnehmen kann. Der Krawall wird immer größer, chaotisches Stimmengewirr, einer versucht den anderen zu übertönen, aber dann tritt plötzlich und unerwartet … totale Stille ein.
    Ich denke gerade, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für den Auftritt irgendeiner herrschsüchtigen Krankenschwester wäre, die der rücksichtslosen Bande Mäßigung gebietet, aber dann weht mir auf einmal ein durchdringender Schwall Burberry-Aftershave um die Nase, und ich kenne nur einen Menschen, der das benutzt – ach du Scheiße!
    Er ist es. James.
    Er muss es sein. Wenn an nichts anderem, würde ich es daran erkennen, dass die Temperatur im Zimmer ungefähr um zwanzig Grad absinkt. Hier liege ich im Koma und spüre es trotzdem. Plastikfolie knistert, Lilienduft breitet sich aus, und ich höre Anna irgendetwas Anerkennendes sagen – dass die Blumen ja wirklich göttlich sind oder so. Sie hatte ja schon immer ein großes Talent, den Produzenten in den Arsch zu kriechen. Und ich kriege plötzlich einen Flashback, wie ich James kennengelernt habe.
    Im Grunde ist nämlich Anna an allem schuld: Sie hat mich James bei einem Filmfestival vorgestellt, und ich weiß noch, dass ich ihn instinktiv sofort in die Schublade »irre, böse, gefährlich« gesteckt habe. Ein Charisma, auf dem man hätte surfen können, aber mir war auf den ersten Blick klar: Wer sich mit so einem Mann einlässt, schluckt irgendwann hundert Milligramm Valium am Tag. Damals trug er eine Lederjacke, fuhr eine Harley und sah ein bisschen aus wie James Dean, wenn er die dreißig erreicht hätte. Unausstehlich, unbeherrscht, umwerfend. Wie Hillary Clinton einmal so treffend über Bill sagte – ein Hund, den man nur schwer auf der Terrasse halten kann. Irgendwie schaffte er es, immer so auszusehen, als hätte er sich gerade geprügelt. Außerdem kursierte das Gerücht, dass er einmal in einem Fünf-Sterne-Hotel in Cannes ein Sofa über die Balkonbrüstung in den Pool geworfen hatte, in einem dieser Etablissements, wo man kein Wort über den Vorfall verliert und nur ganz diskret einen Posten
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