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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld
Autoren: Anne Perry
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Parfitts Tod, der noch dazu im selben Milieu stattfand, anziehen wie ein Magnet. Wenn er Rupert dafür – zu Unrecht – gehängt hätte, wäre er bei der Polizei für immer diskreditiert gewesen.«
    »Allmächtiger!«, fluchte Rathbone ungläubig. »Es ging dir darum, Monk dranzukriegen?«
    »Nein, du Idiot«, fauchte Ballinger. »Es ging darum, mich zu retten! Monk ist wie eine Ratte. Er verbeißt sich in etwas und lässt es nicht mehr los. Ich habe nicht vor, mein Leben lang immer über die Schulter zu schauen, um zu sehen, mit welchem neuen Plan er mich ruinieren will.«
    »Und die arme Hattie wollte bezeugen, dass sie Cardews Halstuch gestohlen und es … wem … gegeben hatte? Einem deiner Helfer?«
    »Tosh Wilkin, wenn das wichtig ist.«
    »Nicht wirklich.« Noch während Rathbone das sagte, war ihm klar, dass Tosh die Fotografien bestimmt nicht hatte.
    »Finde einen Weg, Oliver!«, presste Ballinger zwischen den Zähnen hervor. »Auch du hast zu viel zu verlieren.«
    Rathbone rührte sich nicht. Seine Glieder fühlten sich bleischwer an, und seine Brust schmerzte, als hätte sich ein eisernes Band darum zugezogen.
    »Steh doch nicht herum wie ein verdammter Lakai!«, schrie Ballinger in einem erneuten Wutanfall. »Du hast keine Zeit zu vergeuden!«
    Wortlos drehte Rathbone sich um und hämmerte gegen die Tür, damit ihn der Wärter herausließ.
    Hester war etwas früher als sonst aus der Klinik zurückgekehrt. Monk traf gerade von seiner Arbeit ein und wollte sie begrüßen, als Rathbone in das Haus platzte. Blass, wie er war, bekam Hester regelrecht Angst um ihn. Die hohlen Augen und die tiefen Linien in seinem Gesicht machten ihr endgültig klar, dass er am Ende seiner Kräfte war. Sofort bot sie ihm Tee an und eilte, ohne seine Antwort abzuwarten, in die Küche, wo sie den Wasserkessel aufsetzte. Ebenfalls ohne zu fragen, schenkte sie für ihn einen kräftigen Schluck Brandy ein.
    Als sie mit dem Schnaps und dem in einer großen Tasse dampfenden Tee in den Salon zurückkehrte, saß Rathbone immer noch zitternd in Monks Sessel vor dem Kamin, während Monk auf einem Holzstuhl mit harter Lehne Platz genommen hatte.
    Hester stellte das Tablett so auf dem Tisch ab, dass die Tasse in Rathbones Reichweite war. Erst jetzt kam sie dazu, einen Blick mit Monk zu wechseln. Auch er war blass, und die Falten in seinem Gesicht rührten von mehr als nur Müdigkeit her.
    Monk deutete auf den Sessel gegenüber Rathbone, und Hester ließ sich darauf nieder.
    »Ballinger hat Fotografien«, eröffnete Monk ihr ohne Umschweife. »Sie befinden sich in den Händen von jemandem, der sie benutzen wird, falls Ballinger gehängt wird. Wer alles darauf zu sehen ist, wissen wir nicht, aber was für Szenen es sind, liegt auf der Hand. Ballinger hat von Personen aus den verschiedensten Kreisen gesprochen: Regierung, Justiz, Handel, selbst der königliche Haushalt. Er erpresst sie alle, aber nicht um Geld, sondern um seiner Macht willen, damit sie die Reformen herbeiführen, die er für gerecht hält. Zumindest hat er das Rathbone so erzählt. Ob das alles stimmt oder erlogen ist, lässt sich nicht beurteilen, aber wir können es uns nicht leisten, dieses Risiko einzugehen.«
    Rathbone blickte Hester an. »Er will, dass ich in Berufung gehe. Das ist seine Bedingung für sein Schweigen. Aber das kann ich nicht! Es gibt keine stichhaltigen Gründe.«
    Einen Moment lang verschlug es ihr die Sprache. Das war ungeheuerlich! Doch je länger sie darüber nachdachte, desto logischer erschien es ihr. Vielleicht entsprachen Ballingers Behauptungen tatsächlich der Wahrheit. Dann wären seine Machenschaften Folge eines leidenschaftlichen Wunsches und fast verständlich. Und verlockend war es ja wirklich. Wenn sie solche Macht gehabt hätte, Reformen in der Krankenpflege durchzusetzen, hätte sie auf alle Fälle mit diesem Gedanken gespielt und ihn, gebe Gott, verworfen. Oder vielleicht doch nicht? Andererseits hatte Ballinger womöglich nur einen brillanten Zug zu seiner Verteidigung gemacht, um so kurz vor dem Galgen doch noch den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, weil bestimmte Leute es sich einfach nicht leisten konnten, ihn zu ignorieren.
    »Mich wundert, dass er die Bilder jemand anders anvertraut hat«, murmelte Hester. »Woher wissen Sie übrigens, dass sie alle in der Verwahrung einer einzigen Person sind?«
    Rathbone starrte sie entsetzt an.
    »Seien Sie mir nicht böse«, sagte Hester leise, »aber ich würde nicht alles nur einem
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