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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir
Autoren: S Jio
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schüttelte den Kopf. »Gerard ist ein Traummann. Ich sollte mich glücklich schätzen, ihn zu heiraten. Es wird wirklich Zeit, dass ich meine Rolle akzeptiere.«
    Maxine schaute mich mit funkelnden Augen an. »So darfst du nicht reden, Antoinette, niemals«, sagte sie mit Nachdruck. »Das Leben ist keine Rolle, die man spielt, vor allem nicht, wenn es um die Liebe geht.«
    Sie legte mir einen Arm um die Schultern, so wie sie es früher getan hatte, als ich noch klein war, und schmiegte ihre Wange an meine. »Sei du selbst«, sagte sie, »und hör immer auf dein Herz, auch wenn es wehtut, auch wenn es dir schwierig oder unziemlich erscheint.«
    Ich seufzte und vergrub mein Gesicht an ihrer Schulter. »Maxine, warum sagst du mir das? Und warum ausgerechnet jetzt?«
    Sie rang sich ein Lächeln ab, aber ihre Augen wirkten traurig. »Weil ich nicht auf mein Herz gehört habe. Und ich wünschte, ich hätte es getan.«
    Gerards Mutter, Grace Godfrey, war eine eindrucksvolle Erscheinung. Die dunklen Augen und die scharfgeschnittenen Züge, die bei Gerard so attraktiv wirkten, ließen sie hart erscheinen. Aber wenn sie lächelte, wurden ihre Züge weich. Als Kind hatte ich mir oft gewünscht, meine Mutter wäre so wie Mrs. Godfrey – praktisch veranlagt, bodenständig, trotz ihres Reichtums und ihrer Position. In Zeiten, als Frauen wie sie die Kindererziehung Gouvernanten überließen, nahm Mrs. Godfrey dies selbst in die Hand. Wenn einer der Godfrey-Jungen sich das Knie aufschlug, kümmerte sie sich persönlich darum, es mit einem Pflaster zu verarzten und ihren Sohn zu trösten.
    »Ich weiß gar nicht, warum Grace Godfrey ihren Bediensteten dauernd die Arbeit abnimmt«, hatte meine Mutter oft zu meinem Vater gesagt, als ich in die Grundschule ging.
    Und tatsächlich, als wir an jenem Nachmittag bei den Godfreys eintrafen, half Grace gerade einem Kellner dabei, eine Eisskulptur – eine riesige Ente mit drei Küken im Schlepptau – von der Terrasse auf einen Tisch auf dem Rasen zu tragen.
    »Lassen Sie mich das machen«, sagte mein Vater.
    »Grace, seien Sie vorsichtig«, rief meine Mutter. »Am Ende verheben Sie sich noch!«
    Mrs. Godfrey stellte den Tisch ab und ließ meinen Vater machen, nachdem die Ente fast umgekippt wäre.
    »Danke«, sagte sie. Dann wandte sie sich an uns. »Hallo, Luellen, hallo, Anne. Ist das nicht ein herrlicher Tag für eine Party?«
    »Ja«, sagte ich und schaute in den blauen Himmel, über den nur eine einzige weiße Wolke segelte. Auf dem Rasen waren zahllose Tische mit fliederfarbenen Decken aufgereiht, und auf jedem Tisch stand eine Vase mit fünf violetten Hortensien. »Das ist …« Mir versagte die Stimme vor Ergriffenheit über die Liebe, die mir und Gerard ent gegengebracht wurde, über die Anteilnahme an unserer bevorstehenden Hochzeit. »Das ist unglaublich schön.«
    »Freut mich, dass es dir gefällt«, sagte Mrs. Godfrey und hakte sich bei mir unter. »Gerard erwartet dich schon auf der Terrasse, meine Liebe.«
    Ich sah ihn neben seinem Vater in einem Liegestuhl sitzen und eine Zigarre rauchen. Intelligent, gut aussehend, athletisch gebaut – er hätte einer von den Männern aus den Zeitschriften meiner Mutter sein können. Kaum hatte er mich erblickt, sprang er auf und drückte die Feiertagszigarre aus. »Anne«, rief er und winkte mir zu. »Ich bin gleich da!«
    Als ich die Schärpe an meinem Kleid zurechtrückte, musste ich an Maxines Worte denken: »Das Leben ist keine Rolle, die man spielt, erst recht nicht, wenn es um die Liebe geht.« Aber alle spielten doch diese Rolle. Meine Mutter, mein Vater. Kitty in gewisser Weise. Selbst Maxine. Warum sollte ich mich anders verhalten?
    Wenige Augenblicke später legte Gerard mir einen Arm um die Taille. »Du bist die schönste Frau«, flüsterte er mir ins Ohr, »die ich je gesehen habe.«
    Ich errötete. »Glaubst du das wirklich?«
    »Ich weiß es«, sagte er. »Wo hast du das Kleid her? Du siehst umwerfend aus.«
    »Ich habe es für dich angezogen«, erwiderte ich. »Ich wollte, dass du …«
    »Moment – ist das Ethan Waggoner?« Mit zusammengekniffenen Augen schaute er zum Gartentor hinüber, wo gerade ein Mann und eine hochschwangere Frau angekommen waren. »Verzeih mir, dass ich dich unterbreche, Schatz, aber das ist ein alter Freund aus dem College. Komm, ich stelle dich ihm vor.«
    Den ganzen Nachmittag über waren wir so beschäftigt mit dem Begrüßen von Gästen, dass wir kaum dazu kamen, ein Wort miteinander zu
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