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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir
Autoren: S Jio
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viele Entscheidungen getroffen werden. Können wir sie uns eine nach der anderen vornehmen?«
    »Selbstverständlich«, antwortete er. »Für heute haben wir genug über Wohnungen und Häuser geredet.«
    Er bog ab, und wir fuhren zwischen den mächtigen, von Scheinwerfern angestrahlten Säulen hindurch, die die Ein fahrt nach Windermere flankierten, ein exklusives, vornehmes Viertel, wo Gärtner täglich Stunden damit zu brachten, riesige Rasenflächen und Blumenbeete in Schuss zu halten und wo adrett gekleidete Kinder von Gouvernanten betreut wurden. Wir fuhren an Gerards Elternhaus vorbei, der grauen Villa mit den vielen Giebeln in der Gilmore Avenue, dann am Haus der Larsons, einem weißen Herrenhaus im Kolonialstil mit sauber geschnit tenen Buchsbaumhecken und aus Italien importierten Amphoren aus Marmor. Was war los mit mir? Dieser Mann liebte mich und war bereit, mir ein schönes, bequemes Leben zu bieten, ein Leben, wie ich es gewohnt war.
    Gerard hielt vor unserem Haus, wir stiegen aus und gingen direkt in die Küche. »Maxine hat sich wahrscheinlich schon schlafen gelegt«, sagte ich mit einem Blick auf die Uhr. Halb zehn. Maxine ging immer um neun in ihr Zimmer im Souterrain.
    »Möchtest du ein Sandwich?«, fragte ich Gerard.
    »Nein danke«, erwiderte er und schaute auf seine Armbanduhr, eine Rolex, die ich ihm zum fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte.
    Hinter uns erklangen Schritte.
    »Papa?«, sagte ich und schaute in die Eingangshalle. Eine weibliche Gestalt kam im Dunkeln die Treppe he runter.
    »Mama?« Ich schaltete das Licht ein und sah, dass ich mich geirrt hatte.
    »Deine Mutter ist noch nicht zurück«, sagte Maxine. »Ich habe dir ein paar frische Handtücher ins Bad gelegt. Francesca war heute nicht hier.«
    »Ach, Maxine«, rief ich aus. »Dass du dir so spät am Abend noch Gedanken über meine frischen Handtücher machst. Was für ein Unsinn! Geh schlafen. Du arbeitest zu viel.«
    Als sie sich umdrehte, um nach der Uhrzeit zu sehen, hatte ich den Eindruck, dass ihre Augen feucht waren. Hatte sie geweint, oder war es die Erschöpfung?
    »Ja, ich glaube, ich sage für heute Gute Nacht«, sagte sie und nickte. »Wenn es recht ist.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte ich. »Wir brauchen dich nicht mehr. Gute Nacht, Maxine.« Ich umarmte sie, wie ich es als Kind getan hatte, und roch den Vanilleduft an ihren Wangen.
    Nachdem sie gegangen war, gab Gerard mir einen flüchtigen Kuss. Warum küsste er mich nicht länger? »Es ist schon spät«, sagte er. »Ich mache mich besser auf den Weg.«
    »Musst du schon gehen?«, fragte ich, zog ihn an mich und schaute vielsagend zum Sofa im Wohnzimmer hinüber. Warum musste Gerard immer so praktisch denken?
    »Wir brauchen unseren Schlaf«, sagte er kopfschüttelnd. »Morgen ist ein großer Tag.«
    »Ein großer Tag?«
    »Die Party«, sagte er und sah mich argwöhnisch an. »Hast du das etwa vergessen?«
    Das hatte ich tatsächlich. Gerards Eltern richteten für uns einen Verlobungsempfang aus, auf dem weitläufigen Rasen hinter ihrem Haus, der so makellos geschnitten war, dass er mich immer an den Golfplatz des Country-Clubs meines Vaters erinnerte. Eine Band würde aufspielen, es würde ein Croquet-Turnier geben, Eisskulpturen würden aufgestellt, und livrierte Diener würden Platten mit winzigen Kanapees herumtragen.
    »Zieh dir einfach ein hübsches Kleid an und sei pünktlich um zwei Uhr da«, sagte er lächelnd.
    »Mach ich«, antwortete ich und lehnte mich an den Türrahmen.
    »Gute Nacht, mein Schatz«, sagte er und ging.
    Ich schaute seinem Auto nach und blieb in der Tür stehen, bis das Motorengeräusch von der dunklen Nacht verschluckt wurde.

2
    M axine!«
    Ich öffnete die Augen, blinzelte mehrmals und versuchte, in meinem schlaftrunkenen Zustand die Stimme zuzuordnen – laut, schrill, ein bisschen ungeduldig, aber vor allem gereizt und frustriert.
    Meine Mutter. Sie war nach Hause gekommen.
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass Anne heute das blaue Kleid braucht. Warum ist es nicht gebügelt?« Die Stimme war näher gekommen.
    Ich schlug meine Decke zurück, setzte mich auf und griff nach meinem Morgenmantel. Die arme Maxine. Sie hatte es nicht verdient, so angefahren zu werden. Meine Mutter hörte gar nicht mehr auf.
    Ich öffnete die Tür. »Mama«, sagte ich vorsichtig. Ich wusste, dass es keinen Zweck hatte, ihr in Modefragen zu widersprechen. »Ich habe mir überlegt, dass ich heute das rote anziehe, das du mir aus Paris mitgebracht
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