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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir
Autoren: S Jio
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du nicht ernst. Was ist mit deiner Hochzeit? Wir müssten schon in ein paar Tagen abreisen, und man muss sich für mindestens neun Monate verpflichten.«
    Ich zuckte die Schultern. »Die brauchen doch Krankenschwestern, oder?« Mir schlug das Herz bis zum Hals – vor Aufregung, vor Vorfreude und auch vor Angst.
    Kitty nickte und begann wieder zu schniefen. »Ja, das stimmt«, sagte sie. »Bei der Registrierungsstelle heißt es, im Pazifik ist die Hölle los, und es werden dringend Krankenschwestern gebraucht.«
    Ich lächelte verschmitzt. »Was wäre ich für eine Freundin, wenn ich dich allein das Abenteuer deines Lebens antreten ließe?«
    Kitty sprang auf und fiel mir um den Hals, und wir blieben eng umschlungen auf dem Gehweg stehen, bis das Stück zu Ende war, und dann noch eine ganze Weile. Die Musik von der Party klang, als käme sie aus einer anderen Welt, und in gewisser Weise tat sie das auch. Die säuberlich geschnittene Hecke bildete die Grenze zwischen der Gewissheit und der Ungewissheit.
    »Das wird Gerard mir niemals verzeihen«, sagte Kitty, »dass ich ihm so kurz vor seiner Hochzeit die Verlobte entführe.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Unsinn. Du entführst mich nicht. Ich gehe mit, weil ich das möchte.«
    Ich schaute in den Garten hinüber. Meine Entscheidung würde Konsequenzen nach sich ziehen, das war mir klar. Meine Mutter würde außer sich geraten. Mein Vater würde versuchen, mir die Sache auszureden. Und Gerard … Gerard . Ich seufzte. Es würde ihm schwerfallen zu akzeptieren, dass seine Verlobte in den Krieg zog, während er es sich zu Hause gut gehen ließ. Außerdem würde meine Entscheidung ihn verletzen, und das machte mir am meisten zu schaffen. Aber darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Wenn er mich liebte, wenn er mich wirklich liebte, dann würde er auf mich warten – und wenn nicht, dann würde ich mich damit auseinandersetzen, wenn es so weit war.
    Mein Entschluss stand fest. Ich musste mit Kitty in den Südpazifik gehen. Warum eigentlich? Die Antwort war mir noch nicht ganz klar. Aber eins wusste ich mit Sicherheit: Dieses Abenteuer wäre nicht einfach eine Rolle, die jemand mir vorschrieb.

3
    K itty stieß mir in die Rippen, und ich öffnete stöhnend die Augen. »Kuck mal aus dem Fenster!«, rief sie aufgeregt. »Wir sind fast da!«
    Wir befanden uns auf einem fünfundvierzigminütigen Flug von einer weiter nördlich gelegenen Insel, wo wir per Schiff eingetroffen waren. Ich war vier Tage lang seekrank gewesen und sehnte mich danach, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich sah mich in dem kleinen Flugzeug um. Alles war grau und funktional. Ein Ort für Männer. Aber abgesehen von den Piloten im Cockpit und einem Soldaten, einem großen, schlaksigen Kerl mit flachsblondem Haar und frisch gebügelter Uniform, der von einem Genesungsurlaub zurückkehrte, befanden sich nur Krankenschwestern an Bord.
    »Schau dir das an!«, rief Kitty aus und schlug sich mit der Hand auf die Brust. »Hast du schon mal so was Schönes gesehen?«
    Ich beugte mich über Kittys Schoß, um besser aus dem winzigen Fenster sehen zu können. Mir stockte der Atem, als ich die Landschaft unter uns erblickte – blaues Wasser, weiße Strände und smaragdgrüne Hügel. Mit so einem atemberaubenden Anblick hatte ich nicht gerechnet. Das heißt, eigentlich wusste ich gar nicht, womit ich gerechnet hatte. Sicher, Norah, die inzwischen mit einem Schiff in Richtung Heimat unterwegs war, hatte mir immer wieder vom Reiz der Insel erzählt, aber die Zeitungsartikel, die ich gelesen hatte, berichteten von gnadenloser tropischer Hitze, von Dreck und Unrat, von Männern, die in mücken verseuchten Sümpfen kämpften, die sie als »Hölle auf Erden« bezeichneten. Aber was ich durch das Fenster sah, passte überhaupt nicht zu dieser Beschreibung. Nein, diese Insel war etwas ganz anderes.
    Ich musste an Gerard denken und daran, wie er mir nachgeschaut hatte, als ich ins Flugzeug gestiegen war – traurig, verunsichert, ein bisschen ängstlich. Er hatte bewundernswert reagiert, als ich ihm am Tag nach der Verlobungsparty eröffnete, dass ich mich entschlossen hatte, in den Südpazifik zu gehen. Aber er hatte auch besorgt gewirkt.
    Natürlich hatte er versucht, mir meinen Entschluss auszureden, aber schließlich hatte er mir die Hand gedrückt und sich ein Lächeln abgerungen. »Ich werde für dich da sein, wenn du zurückkommst. Daran wird sich nichts ändern«, sagte er.
    Nach einem langen Gespräch
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