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Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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Tonqualität erzielen und beauftragte deswegen ein Tonstudio damit. Die zogen von meiner Cassette ein Mastertonband (das ich immer noch im Schrank habe, obwohl ich bezweifle, dass es noch viele Geräte gibt, auf denen man es abspielen könnte) und davon dann Kopien, die – fünfzig Stück an der Zahl – schließlich in einem hübschen Karton bei mir eintrafen. Die beiliegende Rechnung war weniger schön, aber 1994 hatte ich meine eigene Firma, die auch ganz gut lief, sodass ich mir erlauben konnte, ab und zu etwas Geld zu verplempern.
    Aufkleber und Hülleneinleger machte ich wieder selber, mithilfe eines nahe gelegenen Copyshops (damals in Stuttgart am Berliner Platz befindlich – inzwischen, habe ich gesehen, gibt es ihn nicht mehr). Undschließlich verbrachte ich noch einen Abend damit, die Dinger mit Grüßen zu versehen und einzutüten, um sie anderntags zur Post zu bringen.
    Ich erhielt ganz nette Reaktionen darauf. Dass meine Aktion dem Verkauf der »Haarteppichknüpfer« zuträglich gewesen ist, darf bezweifelt werden. Aber: Der Weg dieser Kurzgeschichte war noch nicht zu Ende.
    Im Jahre 1994 war der Zugang zum Internet noch eine Sache für Spezialisten, aber es gab immerhin schon Compuserve, und ich war dort im Verlauf des Jahres Mitglied geworden. Compuserve war eine Art Internet für Anfänger – es gab E-Mails, es gab Diskussionsforen, alles noch sehr rudimentär (man bedenke, 1994 wurde noch ernsthaft diskutiert, ob Windows eine Zukunft habe oder nicht) und kompliziert, aber immerhin. In einem dieser Foren hatte ich mit einer gewissen Barbara Schnell Kontakt, wobei es unser gemeinsames Faible für den schottischen Schriftsteller Allistair MacLean war, das uns verband. Da sie zudem »irgendwie« als Übersetzerin, jedenfalls im Umfeld von Verlagen tätig war, kam sie gleich aus doppeltem Anlass auf die Weihnachtsliste.
    Besagte Barbara Schnell (die tatsächlich als Übersetzerin arbeitet; sie hat u.a. die Romane von Diana Gabaldon ins Deutsche übertragen) hatte besagte Cassette an einen bei der ZEIT tätigen Redakteur weitergereicht. Und der wiederum kontaktierte mich gegen Ende des folgenden Jahres: Er würde die Geschichte gern in der Silvesterausgabe 1995 der ZEIT veröffentlichen.
    – Gern, sagte ich höchst begeistert. In der ZEIT, man bedenke! Das baute mich auf, der ich seit Erscheinen meines Romans (und erst recht seit Erhalt der ersten Tantiemenabrechnung) das Gefühl nicht los wurde, damit den Flop des Jahres gelandet zu haben.
    – Allerdings, fuhr er fort, müsse sie dafür gekürzt werden; mehr als eine Zeitungsseite sei nicht drin.
    – Oh, sagte ich mit etwas gedämpfterer Begeisterung. Und wieviel?
    – Auf die Hälfte, sagte er.
    Auf die Hälfte! Gut, dass die Unterhaltung per Compuserve-Mail erfolgte; ich hätte möglicherweise etwas Dummes gesagt. So überschlief ich die Sache – und sagte zu. Und machte mich an die Arbeit.
    Das war richtig hart. Ich glaube, ich brauchte zum Kürzen länger, alsich gebraucht hatte, das Ding zu schreiben. Ich strich Füllwörter. Das brachte fast gar nichts. Ich dampfte Passagen ein. Das brachte wenig. Ich teilte den Text in Abschnitte auf, sagte mir, wenn ich jeden Abschnitt auf die Hälfte kürze, erreiche ich die geforderte Länge, ohne die Geschichte aus dem Gleichgewicht kommt. Ich begann irgendwann, Episoden zu streichen, Figuren, Wendungen, ganze Handlungsfäden … Ich hatte das Gefühl, das Ding zu massakrieren. Ich hatte das Gefühl, zu bluten.
    Aber ich schaffte es irgendwie, und an Silvester 1995 erschien die Geschichte auf der letzten Seite der ZEIT, zusammen mit einer hübschen, wirklich passenden Grafik.
    Wäre hier nun die Gelegenheit, die Urfassung zu veröffentlichen? Endlich?
    Ja – bloß: Die gefällt mir inzwischen gar nicht mehr so gut. Die Magie des Kürzens hat gewirkt. Überlassen wir die Urfassung deshalb jenen 50 Cassetten, von denen einige noch irgendwo existieren mögen, und der Geschichte …
     
    Er stand am Fenster, so dicht, dass er die Kühle der Scheibe auf der Haut spürte. Sie beschlug von seinem Atem, während er hinabstarrte in den schmutzigen Hinterhof. Wieder einmal ein Silvesterabend ohne Schnee. Die kleine orangerote Lampe, die den Hof erhellte, wackelte im Wind, und ein Gemisch aus Regen und verirrten, hoffnungslosen Schneeflocken huschte nebelartig durch ihren Lichtkegel. Auf einer der Mülltonnen lag ein Stapel alter Zeitungen; offenbar hatte jemand auf diese Weise mit dem vergangenen Jahr
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