Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug
Autoren: Alan Gratz
Vom Netzwerk:
Tasche«, sagte ich. Sie lag auf einem riesigen Himmelbett, das von langen üppigen grünen Samtvorhängen umgeben war. Die übrigen Möbel sahen antik aus. Ein großer Kleiderschrank aus Kirschholz, ein kleiner Rollschreibtisch, lederbezogene Sessel mit hohen Rücklehnen. Rhett Butler und Scarlet O’Hara blickten einander von ihren Bildern an den gegenüberliegenden, dekorativ tapezierten Wänden herausfordernd an.
    »Oh, nicht das Vom-Winde-verweht -Zimmer«, stöhnte Hamilton. »Komm, schnapp dir deinen Kram, wir bringen dich woanders unter.«
    Ich griff nach meiner Tasche, doch sie war leer.
    »Die haben meine Klamotten weggeräumt«, stellte ich fest.
    »Gehört alles zum Service«, meinte Hamilton, zog eine Schublade auf und nahm einen Stapel mit meinen T-Shirts heraus.
    »Nein, lass mal. Das ist schon in Ordnung. Mit dem Unterhaltungszimmer da vorne auf dem Flur werde ich hier wohl kaum ständig rumhängen.«
    »Sie haben dich wahrscheinlich hier untergebracht, weil du so ziemlich nah bei meinem Zimmer bist. Es macht aber keinerlei Mühe …«
    »Ganz ehrlich, Hamilton, es ist mir total egal.« Ich ließ mich auf dem großen Federbett in Ohnmacht fallen. In einem solchen Raum konnte man das nur so ausdrücken. »W enigstens bin ich nicht in dem Zimmer mit den Barbiepuppen gelandet.«
    »W ie du willst«, brummte Hamilton. Er setzte sich in einen der großen Ledersessel, ließ seinen Drink im Glas kreisen, und wir steckten plötzlich wieder in dem unbehaglichen Schweigen. Diesmal war es er, der es brach.
    »Morgen wird das Testament verlesen.« Hamilton blickte auf die Eiswürfel. »Kommst du mit?«
    »Und ich hatte schon Angst, keiner würde mich bitten zur Testamentseröffnung zu kommen, nachdem ich schon meinen besten Anzug rausgesucht hab und alles.«
    »Also, was ist, bist du dabei?«
    Ich setzte mich auf. »Hamilton, ich gehör nicht dazu. Das ist eine Familienangelegenheit. Ich werde total zufrieden damit sein, den ganzen Vormittag Zombies zu killen und auf deinem großen Bildschirm Tore zu schießen.«
    »Komm schon, Horatio, ich brauche da deine Hilfe. Du hast meinen Vater gehört. Jemand hat ihn umgebracht, vielleicht Claude.«
    »V ielleicht auch nicht.«
    »W ie auch immer. Aber ich brauch dich, um rauszubekommen, wer und warum.«
    Ich stand auf und stellte meine Tasche unten in den Kleiderschrank. »W ieso glaubst du, dass meine Einschätzung besser ist als die von irgendjemand sonst?«
    »Du bist so ziemlich der schlauste Typ, den ich kenne.«
    Toll. Jetzt wurde ich doch noch als Genie hingestellt.
    »Aber du hast die Eins in Philosophie«, meinte ich.
    »Und du hast überall sonst Einser«, sagte Hamilton. »Bitte, Horatio, hilf mir, das Geheimnis zu ergründen.«
    Ich setzte mich in einen Sessel mit Blumenmuster.
    »Es ist kein Geheimnis, es ist ein Problem«, sagte ich. »Jemand hat deinen Dad abgemurkst. Das Problem ist, rauszubekommen, wer es war. Ein Geheimnis ist vor allem, warum jemand glaubt, einen anderen töten zu müssen. Ich kann helfen, dein Problem zu lösen, aber in Geheimnissen bin ich nicht gut. Die überlasse ich dir.«
    »In Ordnung.« Hamilton stand auf und streckte mir die Hand hin. Zum zweiten Mal an diesem Tag ließ ich mich auf etwas ein, das mich eigentlich gar nichts anging.
    Hamilton schlug mir auf die Schulter. »Komm, wir killen ein paar Zombies.« Er ging aus dem Zimmer. Auch auf das Risiko hin, mich ohne ihn zu verirren, blieb ich noch ein paar Sekunden und fragte mich, ob es nicht besser wäre, den ganzen Sommer auf dem Sofa rumzuhängen und Columbo-Wiederholungen zu gucken. Ich seufzte. Ich hatte Hamilton zweimal mein Wort gegeben, und da musste ich jetzt durch, es ging nicht anders.
    Mein Blick fiel wieder auf das Bild von Scarlett. Sie erinnerte mich in ihrem herrlich schleppenden Südstaaten-Tonfall daran, dass morgen ein neuer Tag war.
    Aber genau vor dem hatte ich Angst.

Drittes Kapitel

    Eigentlich hätte ich einen großen Plastikwegweiser mit farbiger Kennzeichnung gebraucht, wie man sie in Einkaufszentren findet, um mich am nächsten Morgen in dem riesigen Haus zurechtzufinden. Doch ich hatte Glück und fand den Aufzug nach unten. Von da an war ich jedoch verloren wie Theseus im Labyrinth, bis ich aus einem Raum weiter vorne im Flur Stimmen hörte. Auf dem zentimeterdicken Teppich waren meine Schritte so leise wie Windgesäusel, und an der Tür spitzte ich die Ohren, um etwas mitzubekommen.
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte ein älterer Mann. »Hast du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher