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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug
Autoren: Alan Gratz
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nur weil sich seine Familie plötzlich als Paradebeispiel für den Begriff gestört herausstellt.
    Hamilton Prince und ich kennen uns, seit wir gemeinsam an der Schule angefangen haben. Die meisten Schüler auf dem Wittenberg kommen von nicht so sehr weit her, zum Beispiel aus North Carolina, Georgia, Kentucky und Ohio. Aber es gibt auch jede Menge internationaler Schüler: eine Reihe von Saudis, einige Russen und Ungarn und dieser belgische Junge, den alle nur ›Belgier‹ nannten, weil wir seinen Namen nicht aussprechen konnten. Und dann gibt es noch die Leute wie Hamilton, die von irgendwelchen Hinterposemuckelorten in Tennessee kommen, um den Schulen dort zu entkommen, wo sie immer noch nichts von der Evolution gehört haben.
    Hamiltons Kaff ist Denmark, Tennessee, und ich kann nur sagen, es ist ziemlich hart. Schon nachdem ich einmal durchgefahren war, wusste ich, dass es in Denmark als toller Abend gilt, mit voll aufgedrehter Musikanlage rumzukreuzen und sich auf dem Supermarktparkplatz volllaufen zu lassen.
    »Komm«, sagte Hamilton. »Ich zeig dir das Heimkino, das Dad noch eingerichtet hat, bevor er …«
    Es schnürte ihm sichtlich die Kehle zu und ich unterbrach ihn. »Hör mal Hamilton, irgendwie ist das nicht richtig. Ich gehöre nicht hierher. Zu Hause in Knoxville hab ich sechs Schwestern, die es gar nicht erwarten können, mir wieder das Leben zur Hölle zu machen.«
    »Nein, Horatio, ich bin froh, dass du hier bist. Im Moment bis du der einzige normale Mensch in meinem Leben.«
    Da hatten wir wieder so einen verrückten kumpeligen Moment, in dem einer von uns seine schwache, verwundbare Seite offenbarte, und keiner von uns so recht wusste, wie er damit umgehen sollte. Also machten wir es wie immer: Wir taten so, als wäre nichts.
    »Komm, ich zeig dir den Riesenbildschirm«, sagte Hamilton. »Und du musst auch die Playstation dazu sehen.«
    »Geh vor«, meinte ich nur.
    Der Begriff Heimkino traf voll und ganz zu. Es war wie ein echtes Kino im Haus. Es gab sechs Reihen mit Kinosesseln, die gepolsterten, hochklappbaren, und der Bildschirm war größer als einige Kinoleinwände, die ich gesehen hatte.
    »W ir waren es leid, über eine Stunde bis zum nächsten Kino zu fahren«, erklärte er.
    »Ich hasse es, fünfzehn Minuten bis zum nächsten Café zu fahren, und trotzdem wirst du es nicht erleben, dass ich mir eines in meinem Zimmer aufbaue«, witzelte ich.
    »W ir haben hier Video, DVD , sogar einen richtigen Filmprojektor. PS 3 , Xbox, es gibt eine Popcornmaschine da drüben, und hier …« Hamilton machte die Tür zu einem Wandschrank auf, hinter der Schnapsflaschen verborgen waren. »Bitte schön! Hier gibt es sogar alkoholfreies Bier für Mr Oberbrav.«
    »Na ja«, meinte ich, »nur weil du die totale Stimmungskanone bist, wenn du genug getrunken hast.«
    Hamilton warf mir ein alkoholfreies Bier zu und machte sich selbst einen Whisky auf Eis. Er nahm einen Schluck und schüttelte den Kopf. »W enn du so ein Leben wie ich hättest, würdest du auch trinken.«
    Ich sah mich in Hamiltons Heimkino um und war versucht, ihm zu sagen, dass ich mich nicht groß beschweren würde, wenn ich ein Leben hätte wie er, doch sein Vater hatte uns gerade erzählt, dass er ermordet würde, und so schluckte ich die Bemerkung runter.
    »Mach dir mal keine Gedanken«, bemerkte Hamilton. »W ir machen schon noch einen Trinker aus dir.«
    Ich ließ den Verschluss von meinem alkoholfreien Bier knallen. »Das haben schon bessere Männer als du versucht.«
    Einige Minuten standen wir schweigend da und tranken. Es gab sehr viel zu bereden, und nichts davon hatte mit alkoholfreiem Bier oder Videospielen zu tun, das war uns beiden völlig klar. Ich entschied, dass es an mir wäre, die Dinge anzusprechen.
    »Jetzt hole ich wohl besser erst mal mein Zeugs aus dem Wagen«, sagte ich.
    »W ahrscheinlich ist das schon längst erledigt«, meinte Hamilton. »W ir müssen nur rausbekommen, wo sie dich untergebracht haben.«
    Das Haus war voller großer leerer Zimmer. Ich meine, da gab es schon jede Menge Kram drin – Betten, Stühle, Schreibtische –, aber es war klar, dass niemand drin lebte. Aber wirklich gruselig war, dass jedes von ihnen so eine Art Motto hatte: Zauberer von Oz , mittelalterlich , viktorianisch, Hunde .
    »Nachdem mein Vater gestorben ist, hat meine Mutter den Spleen bekommen, alles neu zu gestalten«, erklärte Hamilton. »Jeden Raum anders.« Er schaltete das Licht im nächsten Zimmer an.
    »Da ist meine
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