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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
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Strapsfanatiker wie Walter Kress regiert wurde.
    Kaum hatte er an seinen Auftraggeber gedacht, grinste der ihm auch schon zum zweiten Mal an diesem Tag entgegen, diesmal aus dem Lokalteil des Kölner Express.
    Kress’ Foto zierte in der Abteilung Klatsch & Absurdes einen Jubelbericht über die Eröffnung eines Seniorenwohnheims mit integriertem Golfplatz und überdachter Rollstuhlbahn. Die fidele Altendeponie war unter der Bauleitung des Architekturbüros Lieselotte Kress errichtet und von der HaGru Haus- und Grund GmbH finanziert worden, einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke, deren Vorstandsvorsitzender praktischerweise Lieselottes Mann Walter war. Stadtrat Kress hatte eine flammende Rede gegen die Armut im Alter gehalten, die Jugend zu Bescheidenheit und Mäßigung ermahnt und anschließend in einem feudalen Gourmettempel am Ring den fünfzigsten Geburtstag seiner Frau gefeiert, die man in ein kleines, unvorteilhaftes Foto in der linken unteren Ecke gezwängt hatte.
    Vielleicht lag es nur an der schlechten Bildqualität, aber Lieselotte Kress sah wie eine Frau aus, die zum Blutspenden gegangen und am Tropf vergessen worden war: bleich und schon halb vergeistigt, mit einem derart aufdringlich leidenden Zug um den Mund, daß es sofort wütende Aggressionen weckte.
    Nicht unbedingt die Sorte Frau, die mit Begeisterung reagierte, wenn ihr Mann mit Latexhöschen und Handschellen ins Ehebett stieg.
    Immerhin hatte sie von der HaGru GmbH ein um fünfzig Prozent höheres Architektenhonorar erhalten als allgemein üblich und wies jede Spekulation über einen Zusammenhang mit der familiären Kress-Connection als ›böswillige Unterstellung‹ zurück.
    Aber so sind die Honoratioren der Stadt, dachte Markesch nachsichtig. Im Interesse des Gemeinwohls denken sie an sich selbst zuerst.
    Er verließ den Grill, bestieg seinen rostigen Ford und fuhr durch den jungen Nachmittag zum Café Regenbogen, um Archimedes eine Nachricht zu hinterlassen. Im total verdrahteten Leben der neunziger Jahre war spurloses Verschwinden nur den wenigsten Menschen vergönnt. Ganz gleich, wo Yvonne Schmidt alias Astrid Pankrath auch stecken mochte – sie mußte immer noch Schecks ausstellen, Krankenscheine anfordern, Kreditraten oder Kfz-Steuern zahlen. Jetzt, wo er ihren richtigen Namen kannte, sollte es dem umtriebigen Griechen ein leichtes sein, über die Schufa, das Ordnungsamt oder irgendeine andere Orwellsche Einrichtung ihre neue Adresse zu erfahren.
    Am Regenbogen angekommen, sah er sich unerwartet mit dem Problem der Überbevölkerung konfrontiert. Das Gebärstreikkomitee hatte zwar längst das Feld geräumt, doch das Café war noch immer bis auf den letzten Platz besetzt – liebestolle Singles beiderlei Geschlechts spielten Romeo und Julia auf dem Fleischmarkt, als gälte es, noch vor Ladenschluß einen Partner fürs Leben zu finden. Selbst an seinem Stammtisch vor dem Tresen machte sich eine Viererbande mittlerer Angestellter breit, gesichtslose Kreaturen in zerknitterten Polyesteranzügen, die mexikanisches Flaschenbier tranken und Sophie mit lüsternen Blicken belästigten.
    Er bot ihr Hilfe in Form seiner stahlharten Fäuste an, aber sie meinte nur, daß er sich in seinem Alter besser aufs Totenbett legen sollte, statt den Rambo für Grufties zu spielen.
    »Was ich so sehr an dir liebe«, knurrte Markesch und angelte sich seine Privatflasche Scotch vom Regal, »ist dein unwiderstehlicher Jungmädchencharme. Wenn du noch ein wenig an dir arbeitest, kannst du bald jeder Dreijährigen Konkurrenz machen.«
    Sophie schenkte ihm einen ihrer Killerblicke, den er nur überlebte, weil er sich eine Beerdigung schon aus finanziellen Gründen nicht leisten konnte, und rauschte davon, um die Gäste an der Fensterbank mit Cappuccino zu versorgen. Er blieb am Tresen stehen, schlürfte seinen Scotch und fragte sich mit wachsender Ernüchterung, ob dies der richtige Ort für einen entspannten Nachmittag sei. Er stellte die Flasche ins Regal zurück, kritzelte hastig eine Nachricht für Archimedes und drückte sie Sophie in die Hand.
    »Er soll sich so schnell wie möglich darum kümmern«, sagte er. »Ich würd’s ja selbst erledigen, aber ich muß dringend weg. Wie immer geht es um Leben und Tod!«
    Sophie rümpfte die Nase.
    »Wieso? Erwartet man dich im Leichenschauhaus schon so früh zurück?«
    »Ich habe einen Nebenjob angenommen – als Ungeheuer der Schwarzen Lagune. Frauen jagen, kleine Kinder quälen, die Stadt in Angst und Schrecken
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