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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
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    Die Fotos gehörten nicht unbedingt zu der Sorte, die man sich ins Familienalbum klebt, um sie in besinnlichen Stunden der lieben Verwandtschaft zu zeigen, und das lag nicht allein an ihrer lausigen Qualität – unscharfe, schlecht belichtete Schwarzweißaufnahmen ohne jedes Gefühl für die richtigen Proportionen. Dabei herrschte an Proportionen kein Mangel, wie die üppige Blondine mit dem Schwesternhäubchen, den klinisch weißen Strapsen und dem Rotkreuzsymbol auf den beiden Brüsten von der Größe durchschnittlicher Medizinbälle bewies. Entweder war sie die Florence Nightingale der Sexfront und machte gerade Probeaufnahmen für einen neuen Russ-Meyer-Film, oder der landesweite Mangel an Krankenschwestern und sonstigem Pflegepersonal hatte die AOK zu einer radikalen Änderung ihrer Gesundheitspolitik gezwungen.
    Aber wer immer sie auch sein mochte – sie stellte mit ihrem Patienten Dinge an, für die sie von der Kölner Uni-Klinik sofort gefeuert worden wäre.
    Nur daß der Mann auf dem breiten französischen Bett kein Patient war, sondern Walter Kress bei einem Ausflug ins Reich der Sinne, und wenn Kress an etwas kein Interesse haben konnte, dann an einem familiären Fotoabend mit diesen indiskreten Schnappschüssen.
    Schon für einen Normalsterblichen wäre es verhängnisvoll gewesen, sich, nur mit einem kurzen Latexhöschen bekleidet, an Händen und Füßen ans Lotterbett einer professionellen Hure gefesselt, fotografieren zu lassen, doch für einen verheirateten Kölner Stadtrat mit Ehrgeiz zu höheren Weihen bedeutete es den sicheren Ruin.
    Markesch wagte sich gar nicht vorzustellen, was Kress’ Frau zu den Fotos sagen würde, wenn sie ihr durch einen bösen Zufall in die Hände fielen, von seinen Wählern ganz zu schweigen.
    Er schob die Fotos pietätvoll zurück in den braunen Umschlag, der an Walter Kress, Dringend, Persönlich adressiert war, und griff nach seinem dreifachen Scotch, um sich von dem schwindelerregenden Einblick in das Hospital D’Amour zu erholen.
    »Sie wissen jetzt, worum es geht«, sagte Kress.
    Er sprach mit kaum hörbarer, gepreßter Stimme, als fürchtete er neugierige Lauscher, obwohl die Sperrstunde längst überschritten und das Café Regenbogen bis auf Markesch und Archimedes menschenleer war. Archimedes, der schwarzbärtige griechische Inhaber des Cafés, rumorte in der Küche und verfluchte lautstark den Geschirrspüler, der dem Ansturm der schmutzigen Gläser und Tassen nicht gewachsen war und blubbernd und zischend gegen die Überforderung protestierte.
    »In meiner Position kann ich mir keinen Skandal leisten, und einen derartigen Skandal schon gar nicht.« Kress befingerte nervös seine Krawatte, als könnte sie sich jeden Moment in einen Galgenstrick verwandeln. »Ich verlange strengste Diskretion. Niemand darf von unserem Gespräch und diesen Fotos erfahren. Meine Frau nicht, die Polizei nicht, und die Presse erst recht nicht. Alles muß absolut vertraulich bleiben. Ich verlasse mich auf Ihre Verschwiegenheit, und ich kann in unser beider Interesse nur hoffen, daß Sie mein Vertrauen nicht enttäuschen.«
    Der drohende Unterton in seiner Stimme war unüberhörbar. Aber es schwang auch noch etwas anderes mit: Angst und nur mühsam kontrollierte Panik.
    »Keine Bange«, brummte Markesch. »Ich bin diskreter als jeder Beichtvater. Wären Sie nicht mein Klient, würden Sie von mir nicht mal die Uhrzeit erfahren.«
    Kress lehnte sich zurück, griff in die Innentasche seines teuren Designerjacketts und zog einen zweiten Briefumschlag heraus, klein, weiß, und prall mit Geldscheinen gefüllt, wie Markesch instinktsicher erkannte.
    »Ihr Vorschuß«, erklärte Kress und warf den Umschlag auf den Tisch. »Zehntausend in bar, wie vereinbart. Spesen extra – plus eine Erfolgsprämie von noch einmal zehntausend. Aber für mein gutes Geld erwarte ich gute Arbeit. Sie müssen dieses Problem aus der Welt schaffen, und zwar schnell.«
    Im trüben Sperrstundenlicht wirkte sein Gesicht grau und fadenscheinig wie ein verschlissener Putzlappen, als wäre er über Nacht um Jahrhunderte gealtert, in dem hilflosen Versuch, jede Ähnlichkeit mit dem vor Wonne strahlenden Latexfreak auf den Fotos zu zerstören. Er war ein großer, zur Fettleibigkeit neigender Mann mit Hamsterbacken und täuschend freundlichen Augen, ganz der nette Onkel von nebenan, dem jeder wahlberechtigte Kölner sein Vertrauen und seine Stimme schenken konnte – vorausgesetzt, niemand erfuhr etwas von
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