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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
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versetzen; das übliche eben, mit dem sich Männer meines Alters ihr Geld verdienen.«
    Er tätschelte ihre Wange, verließ das Café und schlenderte über die Berrenrather Straße zu den nahen Uni-Wiesen. Die milde Witterung schien alle Gesundheitsfanatiker und Sportcracks der Stadt aus den Fitneßstudios gelockt zu haben – die Wiesen sahen aus wie Klein-Olympia zur besten Sendezeit, bevölkert von athletischen Gestalten, die sich so beliebten Disziplinen wie Kampftrinken, Marathondoping und Massenflirten hingaben. Millionen kleiner Kinder tollten zwischen Millionen kleinen Hundehaufen herum, und ihre Mütter demonstrierten derweil aller Welt die Abgründe und Exzesse der Frühjahrsmode – in diesem Jahr trug man vor allem Haut.
    Vom Anblick der vielen nackten Schenkel und bloßliegenden Bauchnabel völlig überfordert, ließ er die Parkanlage eilig hinter sich und lenkte seine Schritte am Südbahnhof und der Filmdose vorbei Richtung Zülpicher Platz, wo sich die Kneipen und Bars massierten, als wäre das Viertel eine Art hochprozentiges Feuchtbiotop.
    Die Black Lagoon lag in einer stillen Gasse zwischen der Zülpicher und der Kyffhäuser Straße, aber der Sündenpfuhl war natürlich noch nicht in Betrieb, und Markesch entschloß sich, die Wartezeit in einer der nahen Kneipen totzuschlagen.
    Er entschied sich für das Podium, einem Oldtimer unter den Kölschtankstellen, wo man seit Jahrzehnten dieselben häßlichen Gesichter an der Theke sah, das Schnapsfigurenkabinett des Doktor Campari, im Dienste der Alkoholforschung vorzeitig mumifiziert. Er trank einige Scotch, fütterte die Jukebox mit Silbermünzen und hörte die alten Hymnen der 68er Revolution, Sympathy for the Devil und Street Fighting Man, während der Tag verdämmerte und am großen Kneipenschaufenster die Jugend der neunziger Jahre vorbeiflanierte: Schöne, gutgekleidete, glückliche Menschen, wie aus einem Werbespot über das Vergnügen, einen Überziehungskredit bei der Deutschen Bank zu haben.
    Irgendwann gingen ihm dann die Silbermünzen aus, und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, daß es höchste Zeit wurde, seine Ermittlungen fortzusetzen. Er verließ das Podium, nutzte eine Verkehrslücke zum Sprint über die Zülpicher Straße und marschierte zur Black Lagoon.
    Eine schwungvolle Neonschrift wies allen Freunden der käuflichen Weiblichkeit den Weg ins Paradies, doch die Pforte war verschlossen. Markesch hämmerte Einlaß gebietend mit der Faust gegen die Tür, bis er unter der Sichtluke eine Messingschelle entdeckte. Trunken zielte er mit dem Zeigefinger auf den Klingelknopf, verfehlte ihn beim ersten Versuch und wurde im nächsten Moment von einer aufgedunsenen Visage erschreckt, die in der Sichtluke auftauchte und ihn feindselig taxierte.
    »Tut mir leid, Meister«, sagte die Visage ohne jedes Bedauern in der Stimme, »das hier ist ein Privatclub. Nur für Mitglieder. Und Almosen geben wir auch nicht. Vielleicht versuchen Sie’s mal im Pennerasyl an der Annostraße.«
    »Ich bin schon seit meiner Geburt Mitglied«, versicherte Markesch und zeigte der Visage seinen Mitgliedsausweis in Form eines Banknotenbündels aus Walter Kress’ Spesenfond. »Aber wenn Sie’s nicht glauben, können sie gerne mal nachzählen.«
    »Nicht nötig, Meister!« Mit unverhohlener Gier wurde die Tür aufgerissen. »Kommen Sie doch rein! Auf Sie haben wir gerade noch gewartet!«
    Der Türsteher lachte heiter und wälzte seinen aufgeschwemmten Bier- und Chips-Körper zur Seite. Was ihm an Schönheit fehlte, machte er eindeutig durch Masse wett; wahrscheinlich ließ er sich, wenn aufrührerische Gäste Streit anzettelten, einfach auf seine Gegner fallen und begrub sie unter seinen Fettwülsten.
    Markesch zwängte sich an ihm vorbei in die Lobby, wo es nach Testosteron und billigem Parfüm roch, und trat zur Rezeption, hinter der eine füllige Frau in einem hautengen Lederkorsett einen Brandy schlürfte. Aufdringlich blondiert, die Falten und Krähenfüße mit Make-up zugespachtelt, die feuerrot geschminkten Lippen zu einem lasziv-geschäftstüchtigen Lächeln erstarrt, war sie eine Mischung aus Rubensmodell und Kleingartendomina, wie geschaffen, um den zahlungskräftigen Muttersöhnchen aus der rheinischen Provinz Schauder der Wollust über den Rücken zu jagen.
    Rechts neben dem samtbezogenen Empfangstisch ging es in einen dezent beleuchteten Umkleideraum mit Spinden wie Tresore und erotischen Drucken an den Wänden, Szenen aus dem Kamasutra und dekadenten
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