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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
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Moment, bis ihm die Lektüre des Artikels enthüllte, daß nicht sein Klient, sondern ein Parteifreund und Exstadtrat namens Leo Schrattner damit gemeint war.
    Offenbar hatte Schrattner die Dreistigkeit besessen, einer Clique um Walter Kress Günstlingswirtschaft, Vorteilsnahme und undemokratisches Verhalten bei der Vergabe politischer Ämter vorzuwerfen, und war nach einer häßlichen Schlammschlacht aller eigenen Ämter enthoben worden.
    In einem Zitat rief Kress dem scheidenden Politrebellen »Profilneurotiker« und »frustrierter Nestbeschmutzer« hinterher, während Schrattner sich mit »Filzokrat« und »Stalin des Kölner Klüngelsystems« revanchierte.
    Markesch warf die Zeitung auf den Tisch. Zweifellos war Leo Schrattner einer jener von Kress erwähnten politischen Gegner, die nur auf eine Chance warteten, ihn fertigzumachen. Und sollten ihm die kompromittierenden Fotos in die Hände fallen, würde es ihm auch gelingen. Verständlich, daß Kress alle Hebel in Bewegung setzte, um sein unfreiwilliges Coming Out als Latexliebhaber und Fesselfreak zu verhindern …
    Der Gedanke brachte ihn wieder auf Yvonne Schmidt zurück.
    Sie war also vor einer Woche ausgezogen, sinnierte er, kurz bevor sie Kress die Fotos geschickt hatte. Sie hatte keine neue Adresse hinterlassen und würde sich aus naheliegenden Gründen kaum ummeiden oder einen Nachsendeantrag bei der Post stellen. Wenn er nicht abwarten wollte, bis Walter Kress den nächsten Erpresserbrief bekam, gab es nur eine Möglichkeit, sie aufzuspüren: durch verschärfte Ermittlungen im Milieu.
    Und das, dachte Markesch, bedeutet einen freundschaftlichen Besuch bei meinem Lieblingskriminellen, dem einzigartigen, unvergleichlichen Ronnie dem Zwerg.
    Er kippte den Scotch hinunter und machte sich auf den Weg in die Südstadt.
     
    Er fand den Zwerg wie üblich in seiner Spielhalle unweit vom Chlodwigplatz, einer hochtechnisierten Menschenfalle, wo Einarmige Banditen, elektronische Flipper und kriegerische Videospiele den Dostojewski-Naturen von Köln das letzte Geld aus der Tasche zogen. Ronnie regierte über ein ganzes Imperium von derartigen Groschengräbern und arbeitete verbissen daran, auch die neuen Bundesländer flächendeckend mit Glücksspielautomaten zu versorgen, alles im Sinne seiner Geschäftsphilosophie, nach der viel Kleingeld auf die Dauer auch reich machte. Außerdem gab es hartnäckige Gerüchte, daß seine Spielhallen als Waschanlagen für Profite aus dem Drogenhandel dienten, aber entweder war er zu raffiniert, um sich erwischen zu lassen, oder er zahlte genug Bestechungsgelder, um vom langen Arm des Gesetzes verschont zu bleiben.
    Der Zwerg stand an einem Videospiel, kaute auf einem erloschenen Zigarillo und schoß mit kindlicher Freude ganze Flotten außerirdischer Raumschiffe ab. Als er Markesch entdeckte, gab er spontan das kosmische Massaker auf und kam ihm mit watschelnden Schritten und schwabbelndem Dreifachkinn entgegen.
    »Was für eine wahnsinnige Freude!« rief er so schnaufend, wie es nur einem Mann mit dem Gewicht eines Mittelklassewagens möglich war. »Markesch, du lebst! Also hat dich der Scotch immer noch nicht dahingerafft! Was führt dich zu mir? Etwa die Hoffnung, den ersten Preis in unserem Space-Invaders- Turnier zu gewinnen – eine Reise zu zweit ins Nichts?« Er lachte blökend. »Oder hast du dich endlich entschlossen, deinen Schnüfflerjob an den Nagel zu hängen, bei mir einzusteigen und säckeweise Geld zu verdienen, von den scharfen Weibern ganz zu schweigen, die’s gratis dazu gibt?«
    »Heißen Dank für das großzügige Angebot, aber gegen Geldsäcke bin ich allergisch und für die scharfen Weiber noch viel zu jung. Aber du könntest mir trotzdem helfen.«
    Der Zwerg deutete auf ein Schild mit der Aufschrift KEIN KREDIT. »Wenn du gekommen bist, um mich anzupumpen, kannst du gleich wieder gehen. Kredit verdirbt nur den Charakter.«
    »Ich brauche lediglich eine Information.« Er griff in die Innentasche seiner abgewetzten Nappalederjacke und zeigte ihm das Erpresserfoto, das er an den entscheidenden Stellen mit schwarzen Klebestreifen auf jugendfrei getrimmt hatte. »Kennst du diese Frau?«
    »Komisches Foto«, brummte der Zwerg. »Geht deine Frauenfeindlichkeit jetzt so weit, daß du den Weibern die Titten wegzensierst? Oder ist das irgendein perverses Quiz?«
    »Konzentriere dich auf das Gesicht«, bat Markesch milde.
    »Ich hab’ noch nie besonders auf Gesichter geachtet. Wer soll denn das sein? Eine, die ich
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