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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
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Schmidt wohnte einen knappen Steinwurf weit entfernt, was bei ihrem Beruf nur von Vorteil sein konnte, in einem neuerrichteten Appartementhauskomplex an der Niehler Straße, Ecke Friedrich-Karl-Straße. Die Gebäude waren so feudal, wie sich das mit einer Mischung aus Ziegelsteinarchitektur und Marmorersatz bewerkstelligen ließ, und demonstrierten mit ihrer Teurer-Wohnen-Fassade weithin sichtbar die Verachtung des Bauherrn für alle Sozialhilfeempfänger.
    Zweifellos mußte die gute Yvonne viele Stunden Nachtdienst schieben, um die Miete für ihr Hospital D’Amour aufzubringen.
    Markesch parkte seinen Wagen vor dem Schaufenster eines Modeshops für Trendies und Depp-Setters und irrte eine Weile um den weitläufigen Gebäudekomplex herum, bis er neben einem Fachgeschäft für Mountainbikes einen tunnelähnlichen Durchgang aufspürte, der in einen Innenhof mit den Eingängen zu den einzelnen Häusern führte. Als er in den Tunnel bog, erschütterte ein Erdbeben den täuschend festen Boden, und er prallte fast mit einem wandelnden Berg in speckiger Lederkluft zusammen, der sich bei genauerem Hinsehen als muskelbepacktes Anabolika-Monstrum mit tückischen Augen und rüden Umgangsformen entpuppte. Das Monstrum wischte ihn mit einer beiläufigen Handbewegung zur Seite, ganz so, wie normale Menschen Fliegen verscheuchen, stampfte mit dröhnenden Elefantenschritten hinaus ins klare Frühlingslicht und verschwand, von Nachbeben begleitet, hinter der Ecke. Markesch rieb sich die schmerzenden Rippen und dachte flüchtig daran, die nächste Erdbebenwarte zu alarmieren, aber schließlich war er Privatdetektiv, kein Seismograph, und so betrat er statt dessen den Innenhof. Ein halbes Dutzend Bäume und eine nicht genau abzuschätzende Anzahl sonstiger Gewächse bemühten sich redlich, die Illusion einer intakten Natur zu vermitteln, doch Markesch war an Natur nur interessiert, wenn sie sich zu einem guten Scotch destillieren ließ, und so steuerte er unbeeindruckt die von Kress genannte Hausnummer an.
    Er beugte sich nach unten, um die Klingelleiste zu studieren, und richtete sich frustriert wieder auf – die Namen waren so nichtssagend wie eine Dichterlesung in Kisuaheli. Zuerst glaubte er, sich in der Tür geirrt zu haben, und kramte die Karte mit Yvonne Schmidts Adresse aus der Tasche, nur um festzustellen, daß die Hausnummer stimmte.
    Seine Blicke kehrten zur Klingelleiste zurück.
    Ein Namensschild fehlte.
    Das von Yvonne Schmidt? Vermutlich.
    Abgetaucht, dachte er. Aber es konnte natürlich auch ein billiger Trick sein, um leichtgläubige Gemüter zu verwirren. Entschlossen preßte er den Daumen auf den Klingelknopf. Die Sache mit dem verschwundenen Namensschild schien tatsächlich nur ein billiger Trick zu sein – ein paar Sekunden später summte es, und er stieß zufrieden die Tür auf. Im Treppenhaus schlug ihm unwirsches Gemurmel entgegen, als hätte sich zwei Etagen höher die Notbesetzung der Fischer-Chöre eingefunden, um ihn mit einer Schwitters-Sonate zu begrüßen.
    Während er die Treppe hinaufstieg, stieg ihm gleichzeitig der Geruch von Terpentinersatz und frischer Farbe in die Nase, und im zweiten Stock angekommen, erwartete ihn statt einer barbusigen Krankenschwester ein schmerbäuchiger Malermeister mit tropfendem Pinsel und weißen Flecken im geröteten Gesicht.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?« knurrte der Meister ungnädig.
    »Ich suche Yvonne Schmidt«, sagte Markesch mit entwaffnender Offenheit und spähte in die vom Farbdunst vernebelte Wohnung, wo des Meisters Gesellen die Wände vollkleisterten. »Und ich fände es großartig, wenn ich sie auch finden würde!«
    »Also, ich bin’s nicht. Und von den Jungs ist’s auch keiner. Oder sehen wir aus, als hießen wir Schmidt?«
    Markesch zwang sich zur Ruhe. »Ich meine die Dame, die hier wohnt.«
    »Hier wohnt keiner. Hier wird erst wieder gewohnt, wenn wir mit der Arbeit fertig sind. Und das kann dauern.« Der Meister drehte den Kopf und brüllte: »He, Katschmarek, hier ist schon wieder jemand für die Schmidt.«
    Mit einem Grunzer, der sich nur mit äußerstem Wohlwollen als Abschiedsgruß mißverstehen ließ, wandte er sich ab und verschwand im Farbdunst des Korridors, aus dem sich einen Moment später eine andere Gestalt in einem blauen Kittel schälte, klein, schmächtig, und zotig übers angegilbte Gesicht grinsend.
    »Ich bin der Hausmeister«, erklärte der Schmächtige. »Sie wollen zur Schmidt? Die wohnt hier nicht mehr. Die ist vor
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