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Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
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Rote-Beete-Cocktails anpriesen, und als er wie betäubt die Tür aufstieß, sah er sich mit einer neuen Dimension des Grauens konfrontiert.
    Die Regale mit den Spirituosen waren verschwunden. Ebenso die Regale mit den Weinflaschen und die Kühlvitrine mit dem Flaschenbier. Dafür gab es biodynamische Fruchtnektare in allen Farben und Zusammensetzungen, frisches Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau, das auf die Versaftung durch eine chromblitzende Presse wartete, und eine reichhaltige Salatbar sowie Unmengen an Körner- und Müslimischungen. Rustikale Tische und Stühle, garantiert holzschutzmittelfrei und gemütlich wie ein Hochsitz im Winter, hatten die plüschige Regenbogen- Möblierung abgelöst, und nur sein Stammtisch unmittelbar vor dem Tresen – vor der Salatbar, verbesserte er sich schaudernd – war von der gespenstischen Veränderung verschont geblieben.
    Erschüttert ließ sich Markesch an seinem Tisch nieder. Er konnte es nicht fassen. Was war passiert? Womit hatte er das verdient?
    »Gefällt es dir?« fragte Archimedes mit einer stolzen, weit ausholenden Handbewegung zu den Körnern und dem übrigen Horror Food. »Das ist der Trend, der Geld in die Kassen spült – Biodrinks und Vollwertkost. Das Café Regenbogen ist tot, es lebe die Biobar Vita Verde! Großartig, nicht wahr? Es wird dein ganzes Leben umkrempeln, Filos, verlaß dich drauf!«
    »Es wird mich ins Grab bringen, wenn es das ist, was du meinst«, sagte Markesch düster. »Wie konntet ihr mir das nur antun? Ist euch denn gar nichts mehr heilig?«
    Sophie eilte hinter die Salatbar, warf die Saftpresse an, versaftete, quirlte und mixte, als hätte sie ihr Lebtag lang nichts anderes getan, und stellte ihm schwungvoll ein Glas mit einer trüben, leicht gallig wirkenden Flüssigkeit auf den Tisch.
    »Hier«, sagte sie mit einem zuckersüßen Lächeln, »einer von unseren besten Biodrinks – ein Kefirmilchcocktail mit Banane, Sanddorn und Vollsoja.« Ihr Lächeln wurde noch um eine Spur süßlicher. »Wir werden ihn Schnüffler-Cocktail nennen, dir zu Ehren.«
    Markesch blickte auf und dachte daran, ihr auf der Stelle den hübschen Hals umzudrehen, aber da fielen ihm seine verletzte Schulter und die bandagierte Hand ein, und er entschied sich, Nachsicht mit ihr zu üben und sie erst zu erwürgen, wenn er wieder gesund war. Statt dessen nahm er das Glas, kippte den Kefirmilchcocktail kurzentschlossen in eine der Topfpflanzen auf der Fensterbank und füllte es mit bis zum Rand mit Johnny Walker.
    Dann lehnte er sich zufrieden zurück, schlürfte genüßlich den Whisky und wartete auf den Sommer.
    ENDE
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