Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Koelner Karriere

Eine Koelner Karriere

Titel: Eine Koelner Karriere
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
siebten Himmel?«
    Markesch entzog ihm blitzschnell das Foto, schon um zu verhindern, daß der Grieche in den Schnappschuß hineinkroch. »Tut mir leid, aber die Sache ist streng geheim. Niemand darf erfahren, daß sich Stadtrat Walter Kress in Gummihöschen von einer professionellen Liebesdame verwöhnen läßt. Und vor allem darf niemand erfahren, daß er dabei fotografiert wurde und nun erpreßt wird.«
    Der Grieche zupfte nachdenklich an seinem schwarzen Bart und richtete begehrliche Blicke auf den Geldumschlag, den Markesch leichtsinnigerweise auf dem Tisch liegengelassen hatte.
    »Klingt nach einem neuen Fall, Filos«, meinte er gedehnt. »Kann es sein, daß der gute Kress dir einen fetten Vorschuß gezahlt hat, damit du dich dieses delikaten Falles annimmst?«
    »Kann sein, kann sein. Wieso fragst du? Du willst mich doch nicht etwa an die Whiskyschulden erinnern, die ich im Lauf der letzten Monate bei dir angehäuft habe?« Markesch lachte heiser. »Nein, ich kenne dich zu gut – so etwas würdest du niemals tun!«
    Archimedes lachte ebenfalls. »Keine Sorge. Ich dachte nur, es würde dir Spaß machen, dich an den Kosten für den neuen Geschirrspüler zu beteiligen. Sonst müßtest du deinen auf Kredit erworbenen Scotch in Zukunft aus Pappbechern trinken …«
    »Eine grausige Vorstellung«, gab er zu. Seufzend griff er nach dem Umschlag, zählte eintausend Mark ab und stopfte sie in Archimedes’ Hemdtasche. »Nur keinen Dank. Für die Sauberkeit ist mir kein Opfer zu groß.«
    Der Grieche schüttelte zweifelnd den Kopf. »Wenn es dir um Sauberkeit geht, ist Walter Kress garantiert der falsche Klient für dich. Der Mann hat soviel Dreck am Stecken, daß ihn nicht einmal ein Bad in konzentrierter Salzsäure reinigen würde.«
    »Er ist Politiker. Was erwartest du von ihm? Daß er mit einem Heiligenschein herumläuft? Wir alle haben unsere liebenswerten Schwächen – ich den Scotch, Kress diese Strapslady, du deine Geldgier.«
    »Der Kerl ist ein Menschenfresser«, sagte Archimedes. »Er hat mehr Karrieren und Leben ruiniert als die meisten Naturkatastrophen. In dieser Stadt gibt es mindestens hundert Leute, die ihren rechten Arm dafür hergeben würden, ihn stürzen zu sehen.«
    »Und warum ist diese Stadt dann nicht voller Einarmiger?«
    »Weil sie zuviel Angst haben. Kress braucht nur mit den Fingern zu schnippen, und sie verlieren außer ihrem Arm auch noch den Kopf.«
    Markesch runzelte die Stirn und sah das Foto an. Das erklärt natürlich einiges, dachte er. Kein Wunder, daß Kress am Rand der Panik steht. Wer sich halb Köln zum Feind gemacht hat, sollte sich nicht bei außerehelichen Doktorspielen erwischen lassen.
    »Diese Fotos sind das reinste Dynamit«, drang Archimedes’ Stimme in seine Gedanken. »Wer sie besitzt, hat Kress in der Hand. Und wer Kress in der Hand hat, lebt verdammt gefährlich.«
    Markesch steckte das Foto ein und stand auf. »Heißen Dank für die beruhigenden Worte. Ich hatte schon befürchtet, heute ohne Alpträume schlafen zu müssen.«
    Er winkte dem Griechen zu und verließ das Café. Draußen empfingen ihn die laue Luft und der frische Duft des Frühlings, aufdringlich wie ein zu dick aufgetragenes Parfüm, und plötzlich hatte er das vage Gefühl, wieder jung, gesund und naiv zu sein. Es erinnerte ihn an die Nächte seiner Jugend, als das Leben noch ein rauschendes Fest und die Welt eine einzige Spielwiese gewesen war, wie dafür geschaffen, einem die Antworten auf die großen Fragen des Daseins zu geben: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin, und warum ist das Konto ständig überzogen?
    Markesch horchte und hoffte einen Moment lang tatsächlich, die Antworten zu bekommen, aber das einzige, was er hörte, war das gedämpfte Prusten und Zischen von Archimedes’ altersschwachem Geschirrspüler und irgendwo in der Ferne das Kriegsgeheul eines Ehekrachs.
    Soviel zu den Frühlingsgefühlen, dachte er.
    Und widerstand mannhaft der Versuchung, das Foto aus der Tasche zu ziehen und sich von Yvonne Schmidts erstaunlichen Rotkreuzbrüsten trösten zu lassen.

 
2
     
    Markesch hatte den Frühling schon immer gehaßt. Das unerträglich klare Licht, die elend milde Witterung und das niemals eingelöste Versprechen auf ewig währendes Glück deprimierten ihn, seit er zurückdenken konnte. Der Frühling war eine Zeit der brutalen Romantik und des amourösen Massenwahns, in der man sich wie ein Aussätziger vorkam, wenn man den jungen Morgen nicht mit einem frohen Lächeln
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher