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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
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so großen Teil seines Lebens mit bezahlten Claqueuren verbracht, dass er mit Widerspruch nicht mehr rechnete. Er nahm einen Schluck Cognac und nickte nach einer Pause. »Mag sein. Aber jetzt bin ich besiegt.« Auf meine unausgesprochene Frage hin erklärte er: »Ich habe inoperablen Bauchspeicheldrüsenkrebs. Da lässt sich nichts mehr machen. Der Arzt gibt mir noch drei Monate.«
    »Die Ärzte irren sich oft.«
    »Gelegentlich. Aber nicht in meinem Fall. Ein paar Wochen hin oder her, aber mehr ist nicht drin.«
    »Oh.« Ich nickte. Man weiß nicht recht, was man auf eine solche Eröffnung erwidern soll, denn die Menschen sind so unterschiedlich. Ich bezweifelte, dass Damian von mir Heulen und Wehklagen erwartete, oder Vorschläge zu alternativen Heilmethoden einschließlich makrobiotischer Diät. Also schwieg ich einfach.
    »Du sollst aber nicht glauben, dass ich mit dem Schicksal hadere. In gewisser Weise ist mein Leben zu einem natürlichen Schlusspunkt gekommen.«
    »Wie das?«
    »Ich war immer vom Glück verwöhnt. Ich habe gut gelebt, bin weit gereist. Und beruflich habe ich keine weiteren Pläne mehr. Ich habe eine Computersoftwarefirma aufgebaut. Wir waren unter den Ersten, die das Potenzial erkannt haben.«

    »Sehr schlau.«
    »Richtig. Klingt langweilig, aber die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Ich habe das Unternehmen verkauft und werde kein neues Projekt beginnen.«
    »So etwas weiß man nie.« Keine Ahnung, warum ich das sagte, denn natürlich wusste er es ganz genau.
    »Ich kann mich nicht beklagen. Meine Firma wurde von einem großen amerikanischen Konzern für eine Summe übernommen, die ausreichen würde, um Malawi zu sanieren.«
    »Aber das hast du nicht vor.«
    »Nein, eher nicht.«
    Er zögerte. Ich war ziemlich sicher, dass wir uns dem Kern der Sache näherten, dem Grund, warum ich hier war, aber Damian schien auf der Stelle zu treten. Da wagte ich einen Vorstoß, um das Gespräch voranzutreiben. »Wie steht’s mit deinem Privatleben?«, fragte ich lächelnd.
    Er dachte kurz nach. »Eigentlich habe ich keins. Nichts, was den Namen verdient. Ein gelegentliches zweckdienliches Arrangement, mehr nicht, schon seit vielen Jahren nicht. Ich bin kein geselliger Typ.«
    »Warst du damals aber«, wandte ich ein. Ich schluckte schwer an dem »gelegentlichen zweckdienlichen Arrangement«. Allmächtiger! Ich beschloss, lieber keine nähere Klärung anzustreben.
    Es bedurfte jedoch keines weiteren Anstoßes, Damian war in Fahrt gekommen. »Wie du weißt, hat mir die Welt, in die du mich eingeführt hast, nicht sonderlich gefallen.« Er sah mich herausfordernd an, doch ich hatte dem nichts entgegenzuhalten, und so fuhr er fort: »Aber als ich ihr den Rücken kehrte, musste ich kurioserweise feststellen, dass mir an den Vergnügungen meiner alten Welt auch nichts mehr lag. Nach einer Weile gab ich ›Partys‹ ganz auf.«
    »Hast du geheiratet?«
    »Einmal. Die Ehe hat nicht lange gehalten.«
    »Das tut mir leid.«
    »Nicht nötig. Ich habe nur geheiratet, weil ich das Alter erreichte, wo man sich als Single langsam komisch vorkommt. Mit sechs-, siebenunddreißig
fiel mir auf, dass die Leute erstaunt die Augenbrauen hochzogen. Natürlich war meine Reaktion idiotisch. Fünf Jahre später haben meine Freunde begonnen, sich scheiden zu lassen, ich wäre nicht mehr allein im Abseits gestanden.«
    »War es jemand, den ich kenne?«
    »Sicher nicht. Ich war damals deinen Kreisen schon entronnen und hatte nicht den Wunsch, dorthin zurückzukehren, das kann ich dir versichern.«
    »Und wir verspürten nicht das leiseste Bedürfnis, dich wiederzusehen«, konterte ich. Dieser Schlagabtausch hatte etwas Befreiendes. Endlich kam etwas von unserer gegenseitigen Abneigung hoch. Damit konnte ich besser umgehen als mit der Freundschaft, die wir den ganzen Abend geheuchelt hatten. » Meine Kreise kennst du außerdem gar nicht«, fuhr ich fort. »Du hast keine Ahnung von meinem Leben. Es hat sich an jenem Abend genauso verändert wie das deine. Und nach einer Londoner Saison vor vierzig Jahren gab es mehr als einen Weg, den man einschlagen konnte.«
    Das nahm er anstandslos hin. »Ganz recht. Ich bitte um Verzeihung. Aber du kannst Suzanne wirklich nicht begegnet sein. Als ich sie kennenlernte, hatte sie ein Fitnessstudio in der Nähe von Leatherhead. « Im Stillen pflichtete ich ihm bei, meine Pfade hatten sich wohl kaum mit jenen seiner Ex gekreuzt, und hielt den Mund. Er seufzte müde. »Sie hat sich sehr bemüht. Ich möchte
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