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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
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ihrem Gepäck allzu weit laufen müssen. Aber schließlich verdient jeder ab und zu einen kleinen Bonus.
    Ich wusste, dass Damian zu Wohlstand gekommen war, konnte mich aber nicht entsinnen, woher diese Information stammte, denn wir hatten keine gemeinsamen Freunde und bewegten uns in völlig verschiedenen Kreisen. Wahrscheinlich hatte ich seinen Namen im Finanzteil der Sunday Times gelesen. Vom Ausmaß seines Wohlstands hatte ich jedoch nichts geahnt. Wir flitzten über die Landsträßchen von Surrey, und die akkurat gestutzten Hecken, die verfugten Bruchsteinmauern, Rasenflächen wie Billardtische und gleißende, unkrautfreie Kieswege sprachen für sich: Wir hatten das Reich des Großen Geldes betreten. Hier gab es keine bröckelnden Torpfeiler, keine leeren Stallungen und kein Pförtnerhäuschen mit leckem Dach, hier war nichts zu spüren von Tradition und einstiger Grandeur. Was ich hier sah, war nicht der ferne Nachklang, sondern die lebendige Präsenz von Geld. Viel Geld.
    Das Milieu war mir nicht völlig fremd. Als einigermaßen erfolgreicher Schriftsteller kommt man, um mit Nanny zu sprechen, mit» allen möglichen Leuten« in Berührung. Aber so ganz meine Welt war das nicht. Das Vermögen der meisten sogenannten Reichen, mit denen ich persönlich bekannt bin, ist steinalt und im Vergleich zu früher erheblich geschrumpft. Aber die Häuser, an denen ich nun vorbeifuhr, gehörten Neureichen, ein spürbarer Unterschied. Für mich hat die unmittelbare Ausstrahlung von Macht etwas durchaus Erfrischendes. Eigenartig, aber neuem Geld begegnet man in Großbritannien
auch heute noch mit einem gewissen Snobismus. Man würde erwarten, die Naserümpfer fänden sich unter den traditionell Konservativen, aber paradoxerweise ist es oft die intellektuelle Linke, die ihr Missfallen über die aus eigener Kraft Emporgekommenen hinausposaunt. Ich begreife nicht ganz, wie sich das mit dem Konzept der Chancengleichheit vereinbaren lässt. Vielleicht will man das auch gar nicht erklären, sondern gehorcht einfach widersprüchlichen Impulsen, wie wir alle bis zu einem gewissen Grad. Falls auch ich in meiner Jugend einem derart fantasielosen Denken verfallen war, dann habe ich es mittlerweile völlig abgelegt. Heute bewundere ich rückhaltlos alle Männer und Frauen, die ihr Glück gemacht haben, und jeden, der sich nicht scheut, den bei seiner Geburt vorskizzierten Zukunftsplan zu zerreißen und einen besseren zu entwerfen. Solche Menschen haben größere Chancen auf ein befriedigendes Dasein als die meisten anderen. Ich ziehe den Hut vor ihnen und ihrer gleißenden Welt. Doch von einem persönlichen Standpunkt aus fand ich es extrem ärgerlich, dass Damian Baxter zu ihnen gehörte.
    Als Rahmen für seine Prachtentfaltung hatte er nicht etwa das Schloss eines verarmten Adeligen gewählt, sondern eines jener verschachtelten, verklemmten Landhäuser der Arts & Crafts -Bewegung, die in ihrer Weitläufigkeit an einen Kaninchenbau erinnern, schon zu ihrer Entstehungszeit um die letzte Jahrhundertwende nicht als Symbol Altenglands taugten und heute wie Disneyfilmkulissen anmuten. Umgeben war es von gepflegten, terrassierten Gärten mit säuberlich gejäteten Kieswegen; weitere Ländereien schienen nicht dazuzugehören. Offenbar folgte Damian nicht dem gängigen Modell, den Landadel zu imitieren. Sein Zuhause war kein Herrensitz im Schoße von Feldern und Weiden, sondern lediglich das Domizil eines großen Erfolgs.
    Das ganze Anwesen strahlte das Flair der Dreißigerjahre aus, als wäre es von einem Kriegsgewinnler aus dem Ersten Weltkrieg erbaut worden. Erst der Agatha-Christie-Chauffeur, und jetzt auch noch ein Butler, der sich an der Tür verneigte … Auf dem Weg zur hellen Eichentreppe erblickte ich sogar ein Dienstmädchen, eine junge Frau in schwarzem Kleid und Rüschenschürze, die nicht ganz so steif
wirkte; plötzlich fühlte ich mich in ein Gershwin-Musical versetzt. Der eigenartige Eindruck eines unwirklichen Abenteuers verstärkte sich noch, als ich zu meinem Zimmer gewiesen wurde, ohne vorher meinen Gastgeber begrüßt zu haben. So etwas riecht immer nach Krimi, nach Gefahr; mir lief ein leiser Schauer über den Rücken. Und ein dunkel gekleideter Diener, der einem an der Zimmertür zumurmelt: »Wenn Sie bitte nach unten in den Salon kommen möchten, Sir, sobald Sie bereit sind«, passte eher zu einer Testamentseröffnung als zu einem Freundschaftsbesuch. Doch das Zimmer selbst war sehr hübsch, ausgeschlagen mit dem
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