Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
Vom Netzwerk:
nicht schlecht von ihr reden. Aber im Grunde hatten wir nichts gemeinsam.« Er schwieg einen Moment. »Du hast nie geheiratet oder?«
    »Nein. Habe ich nicht. Nie.« Meine Worte kamen schärfer heraus als beabsichtigt, aber er schien sich darüber nicht zu wundern. Das Thema war für mich schmerzhaft und für ihn unangenehm. Sollte es verdammt noch mal auch sein. Ich beschloss, mich aus dem verminten Gelände zurückzuziehen. »Und was macht deine Frau jetzt?«
    »Ach, sie hat wieder geheiratet. Einen recht netten Kerl. Er hat ein Sportgeschäft, und so haben sie vermutlich mehr Gemeinsamkeiten als wir.«
    »Sind Kinder da?«

    »Zwei Jungs und ein Mädchen. Aber was aus denen geworden ist, weiß ich nicht.«
    »Ich meine, gemeinsame Kinder.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, wir hatten keine.« Diesmal lastete sein Schweigen schwer. Nach einer Weile führte er den Gedanken zu Ende. »Ich kann keine Kinder bekommen«, sagte er. Trotz der Endgültigkeit dieser Feststellung schwang darin etwas seltsam Unabgeschlossenes mit, gleichsam ein Fragezeichen. Dann fuhr er fort: »Das heißt, als ich geheiratet habe, konnte ich keine Kinder mehr bekommen.«
    Er verstummte, als wollte er mir Zeit geben, diese eigenartige Aussage zu verdauen. Was meinte er bloß? Er war ja wohl nicht kastriert worden, bevor er der Fitnessstudiomanagerin seinen Antrag machte. Da er das Thema selbst aufs Tapet gebracht hatte, hätte ich bedenkenlos nachgehakt, aber er kam meinen Fragen zuvor. »Wir sind zu mehreren Ärzten gegangen, die alle festgestellt haben, dass ich keine Spermien produziere.«
    So etwas schockiert sogar in unserer modernen, aus den Fugen geratenen Gesellschaft, und eine sinnvolle Erwiderung fällt schwer. »Wie bitter«, sagte ich.
    »Ja. Bitter . So kann man’s nennen.«
    Offenbar war ich ins Fettnäpfchen getreten. »Ließ sich nichts dagegen unternehmen?«
    »Im Grunde nicht. Die Ärzte hatten mehrere Erklärungen für den Zustand, aber niemand hielt ihn für reversibel. Das war’s dann also.«
    »Ihr hättet es auf anderem Weg versuchen können. Die Wissenschaft ist heute ja so fortgeschritten.« Weiter ins Detail mochte ich nicht gehen.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie das Kind eines anderen großziehen können. Suzanne wollte mich dazu überreden, aber das war für mich keine Lösung. Ich sah keinen Sinn darin. Wenn das Kind nicht von dir ist, spielst du doch nur mit einer Puppe. Einer lebendigen vielleicht, aber trotzdem mit einer Puppe.«
    »Viele sehen das anders.«

    Er nickte. »Suzanne gehörte dazu. Sie sah nicht ein, warum sie kinderlos bleiben sollte, wenn die Ursache nicht bei ihr lag. Nur zu begreiflich. Eigentlich war die Trennung schon beschlossene Sache, als wir die Arztpraxis verließen.« Er stand auf und goss sich noch einen Cognac ein. Den hatte er verdient.
    »Ich verstehe«, sagte ich, um das Schweigen zu brechen. Mir graute vor dem, was nun kommen würde.
    Tatsächlich war sein Ton, als er weitersprach, entschiedener denn je. »Zwei Spezialisten glaubten, die Ursache könnte eine Mumpsinfektion im Erwachsenenalter sein.«
    »Ich dachte, das wäre ein Ammenmärchen, um aufgeregte junge Männer zu erschrecken.«
    »Komplikationen sind sehr selten, kommen aber vor. Es kann eine Orchitis auftreten, eine Entzündung der Hoden. In der Regel heilt sie ohne bleibende Schäden ab, aber manchmal, in wenigen Fällen, eben nicht. Als Kind hatte ich keinen Mumps, und mir war auch nicht bewusst, dass ich später daran erkrankt wäre, aber nach längerem Überlegen fiel mir ein, dass ich im Juli 1970, ein paar Tage nach meiner Rückkehr aus Portugal, sehr starke Halsschmerzen bekam. Ich musste zwei Wochen das Bett hüten, und meine Lymphknoten waren geschwollen. Vielleicht war es das.«
    Ich rutschte in meinem Sessel herum und trank noch einen Schluck. Der Grund, warum ich herzitiert worden war, begann sich auf unangenehme Weise abzuzeichnen. Ich hatte Damian damals nach Portugal eingeladen, zu Freunden. Meinen Freunden. Hinterher stellte sich weiß Gott alles als viel komplizierter heraus, aber vordergründig ging es darum, dass die Frauen in der Überzahl waren, deshalb bat mich unsere Gastgeberin, auch Damian einzuladen. Mit katastrophalen Folgen. Versuchte er nun, mir die Verantwortung für seine Sterilität anzuhängen? Hatte er mich herbestellt, damit ich meine Schuld eingestand? Und zugab, dass ich ihm in jenem Urlaub genauso großen Schaden zugefügt hatte wie er mir? »Ich erinnere mich nicht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher