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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
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gemeißeltem Stein und ein weiteres Flauschteppichexemplar waren die bestimmenden Elemente dieses seltsam öden Raums, der an ein kahles, aber teures Anwaltsbüro erinnerte, in das man aus unerfindlichen Gründen einen Esstisch und Stühle hineingestellt hatte. Das Essen war ausgezeichnet, wenn auch an Damian verschwendet, aber den Margaux , den er ausgewählt hatte, genossen wir beide. Der stumme Butler, Bassett, ließ uns kaum eine Minute allein, folglich blieb unser Gespräch sehr an der Oberfläche. Mir fiel eine Tante ein, die rückblickend staunte, welcherart Tischgespräche vor dem Krieg geführt worden waren: Anwesende Dienstboten wurden nicht als das geringste Hemmnis empfunden; politische Geheimnisse, Familienklatsch, persönliche Indiskretionen, alles wurde munter vor den Ohren der Dienerschaft ausgebreitet und hat sicher so manchen Abend im örtlichen Pub belebt, wenn auch keine Steilvorlagen für Memoiren geliefert, wie es in unseren geldgierigeren, sensationslüsternen Zeiten garantiert der Fall wäre. Wir Heutigen haben den unerschütterlichen Glauben jener Generation an den eigenen Lebensstil verloren. Ob es uns passt oder nicht – ich für meinen Teil bin sehr froh darüber –, die Zeit hat uns gelehrt, dass es ja Menschen sind, die uns bedienen. Für alle nach 1940 Geborenen haben die Wände Ohren.
    So plätscherte das Gespräch dahin. Damian erkundigte sich nach meinen Eltern und ich mich nach den seinen. Mein Vater war von ihm sehr angetan gewesen, aber meine Mutter, auf deren Instinkt in der Regel mehr Verlass war, witterte von Anfang an Scherereien. Sie war jedoch inzwischen gestorben, wie Damians Eltern auch, daher
gab das Thema nicht viel her. Und so gingen wir die anderen gemeinsamen Bekannten von früher durch und hatten bald eine beeindruckende Liste beruflicher Enttäuschungen, Scheidungen und unzeitiger Todesfälle beieinander.
    Schließlich stand Damian auf und wandte sich an Bassett: »Könnten wir bitte unseren Kaffee in der Bibliothek serviert bekommen? « Wieder dieses leise Fragen, als bäte er um einen Gefallen auf die Gefahr hin, eine Absage zu kassieren. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn Bassett die zögerliche Frage einmal wortwörtlich nähme: »Nein, Sir. Ich fürchte, ich bin im Moment zu beschäftigt. Ich werde versuchen, den Kaffee später zu bringen.« Das hätte ich zu gern einmal erlebt. Aber dieser Butler kannte seine Pflicht und ging hinaus, um den verschleierten Befehl unverzüglich auszuführen. Damian führte mich unterdessen in den schönsten aller bisherigen Räume. Ein früherer Besitzer oder Damian selbst hatte die vollständige Bibliothek eines erheblich älteren Hauses erstanden, Regale aus dunklem, satt schimmerndem Holz, verblendet mit wunderschön geschnitzten Säulen. In einem fein verzierten Kamin aus rosa Marmor brannte auf einem polierten Stahlrost ein Feuer für uns. Flackernde Flammen, glänzende Ledereinbände, hochrangige Gemälde, darunter ein großes, sehr nach Turner aussehendes Seestück und das Porträt eines jungen Mädchens von Lawrence – das alles gab dem Raum eine Wärme, die anderswo im Haus spürbar fehlte. Ich war ungerecht gewesen. Nicht mangelnder Geschmack, sondern mangelndes Interesse war für die Lieblosigkeit der anderen Räumlichkeiten verantwortlich. Die Bibliothek war der Raum, den Damian wirklich bewohnte. Es dauerte nicht lange, bis wir mit Getränken und Kaffee versorgt waren, dann ließ uns der Butler allein.
    »Du hast es ja weit gebracht«, eröffnete ich das Gespräch. »Gratuliere.«
    »Überrascht dich das?«
    »Nicht sonderlich.«
    Das nahm Damian mit einem Nicken entgegen. »Wenn du damit meinst, dass ich schon immer ehrgeizig war, dann gebe ich das gerne zu.«

    »Ich meinte eher, dass du nie ein Nein akzeptiert hast.«
    Er schüttelte den Kopf. »So sehe ich das nicht«, entgegnete er. »Ich wusste stets, wann ich geschlagen war, schon damals. Wenn keine Aussicht mehr auf Erfolg bestand, habe ich mich damit abgefunden und mich anderen Dingen zugewandt. Das musst du mir doch zugutehalten.«
    Das war nun wirklich eine haarsträubende Verdrehung der Tatsachen. »Nein, das tue ich nicht. Vielleicht hast du dir diese Tugend später angeeignet, davon weiß ich nichts. Aber zu meiner Zeit waren deine Augen viel größer als dein Magen. Und dass du ein ausgesprochen schlechter Verlierer warst, muss ich schließlich am besten wissen. «
    Damian sah mich einen Augenblick überrascht an. Vielleicht hatte er einen
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