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0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen

0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen

Titel: 0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen
Autoren: Rolf Michael
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»Aber es ist doch nur ein Sandsturm, Mahmoud!« versuchte Sabine, den Araber zu beruhigen. »Wir gehen in die Unterkünfte und warten, bis er vorbei ist. Der Samum wird nur gefährlich, wenn man in offener Wüste überrascht wird!«
    »Davon verstehen Sie nichts, Miß Janner!« sagte Achmed ben Mahmoud in seinem typischen Kauderwelsch aus Englisch und Arabisch. »Dieser Sandsturm ist anders. Spüren Sie denn nichts von der bösartigen Ausstrahlung, die in dem Wind liegt? Die alten Legenden, die mir mein Vater erzählte, erwachen zu neuem Leben.«
    »Alte Legenden sind Aberglaube!« erklärte Sabine Janner und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. Obwohl sie noch nicht lange hier war erkannte sie, daß dieser Sandsturm tatsächlich anders war.
    Vor einigen Jahren war sie als kleines Mädchen mit ihren Eltern schon einmal in Libyen gewesen. Ihr Vater leitete Bohrungsarbeiten nach Wasser. Damals hatte sie sich fest vorgenommen, wieder zu kommen. Denn tief unter dem Sand der Sahara gab es Wasservorkommen, die ausreichten, auch in der Wüste Siedlungen entstehen zu lassen, damit die Beduinen ihr entbehrungsreiches Wanderleben aufgeben konnten. Wasser war hier in der Sahara kostbarer als Geld. Wasser bedeutete Leben. Vielleicht gelang es einmal, die Libysche Wüste wieder durch künstliche Bewässerung fruchtbar zu machen.
    Sabine Janner hatte Geologie studiert und ihr Examen mit allen Auszeichnungen zum Abschluß gebracht. Durch eine Freundin hatte sie von den Projekten des weltumspannenden Möbius-Konzerns gehört, der in allen möglichen wirtschaftlichen Unternehmungen rund um den Erdball mit Kapitalien beteiligt war. Das Projekt, in der Libyschen Wüste nach Wasser zu bohren, war nicht neu, sollte jedoch jetzt in großem Stil betrieben werden.
    Allerdings wurde auch gleichzeitig an anderen Stellen nach Erdöl gebohrt. Und zu Sabines Leidwesen lag gerade die Bohrstelle für Öl ganz in der Nähe des Bezirks, wo sie schon seit einigen Wochen vergeblich nach Wasser bohrte.
    Oliver Reuter, der dortige Chef-Inspektor, war ein rücksichtsloser Kerl. Er versuchte, ihr die Arbeiter abzuwerben. Es war gut möglich, daß Reuter auch unter den Arabern ein Geistermärchen verbreitet hatte, um sie zur Flucht zu bewegen. Je weniger die Wasserbohrung fündig wurde, um so mehr wurde seine Ölbohrung gefördert. Sabine wußte, daß Oliver Reuter zu den Typen gehörte, die über Leichen gingen, wenn es ihr Vorteil war.
    Sabine Janner hatte vor ungefähr vier Wochen die Bohrstelle übernommen.
    Der dortige Chef-Inspektor hatte den Job wegen Reuters heimlichen Sabotageakten, die niemand beweisen konnte, hingeworfen.
    Bis jetzt war auch alles gut gegangen. Nur auf Wasser waren sie noch nicht gestoßen. Und jetzt kam der Sandsturm.
    Doch sie weigerte sich innerlich, daran zu glauben, daß in diesem Samum Mächte des Bösen hausten. Zwar kannte Sabine genügend Erzählungen von Wüstengeistern, die sich die Arbeiter erzählten, doch sie glaubte nicht daran. Als Geologin und logisch denkender Mensch erkannte sie nur Tatsachen an. Alles andere war Humbug und Aberglaube.
    »Kommen Sie, Miß Janner!« rief Achmed ben Mahmoud und zog sie zu den kleinen Hütten, die ungefähr hundert Meter von der Bohrstelle errichtet waren. »Wir müssen uns in Sicherheit bringen!«
    »Ich weiß!« nickte das ungefähr fünfundzwanzigjährige Mädchen mit den halblangen, blonden Haaren und den strahlenden, blauen Augen. Sie trug eine Kombination aus weißem Baumwollstoff, die ihre Traumfigur mehr betonte als verdeckte.
    Daß die arabischen Arbeiter deswegen in den langen Wüstennächten schon diverse Träume hatten, ahnte sie nicht im geringsten. Sabine hatte sich nie besondere Gedanken gemacht, daß die Männer in ihr nicht nur die Vorgesetzte sehen würden. Seit sie Deutschland verlassen hatte, lebte sie nur noch für ihre Arbeit. Sogar das kleine Appartement in Rodgau hatte sie aufgegeben.
    »Wir müssen uns beeilen!« drängte der Araber. Das Heulen in der Luft kam immer näher. Die Staubfahnen des Sandsturms schienen bis unter die brennend heiße Sonne zu wehen. Sabine sah, daß die Männer die Kamele in eine dafür vorbereitete Wellblechbaracke trieben. Denn sonst war es möglich, daß die Tiere sich vor Angst losrissen und in panischer Angst davonliefen. Inmitten der Wüste hat auch ein Kamel keine Überlebenschance. Andere Araber beeilten sich, die wichtigsten Geräte abzudecken. Jeder wußte, daß der pulverfeine Sand durch die
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