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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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Vorwand, er wolle sie aufmuntern. Ich kann mir gut vorstellen, wie er angeblich ihre Schuhe bewunderte. Er war ein Peruzzi. Sie vertraute ihm.
    ›Sie war so winzig … es war, als stieße man eine kleine Puppe ins Wasser‹, das hat er wortwörtlich zu mir gesagt, mit einem letzten Blick auf seine Reichtümer, als wir sein Büro verließen. Und alles, was er heute dabei empfindet, ist Verwunderung. Verwunderung darüber, wie ein solch nebensächliches Ereignis sein Leben derart verändern kann. Er wird mir gegenüber die Tat noch einmal gestehen.«
    »Bei diesem Anwalt? Maresciallo, Sie kennen den Mann. Das wird er niemals zulassen.«
    »Und doch wird es so kommen. Er wird es nicht verhindern können. Sein Klient wird darauf bestehen. Er will mich unbedingt davon überzeugen, daß er im Recht war. Anschließend wird ihn dieser verdammte Anwalt mit fahrlässiger Tötung heraushauen. Wir haben nichts, womit wir ihm Vorsatz nachweisen können. Er hat das Temperament seines Vaters. Das Wasser ist so niedrig, der Fuß der Statue war nicht zu sehen. Wir werden nie beweisen können, daß er nicht in dem Glauben davongelaufen ist, er hätte ihr bloß ein unfreiwilliges Bad verpaßt.«
    »Und? Wie war es wirklich?«
    »Oh, keine Ahnung. Ich bezweifle, daß er es selbst wirklich weiß. Für ihn hatte das Ganze nicht mehr Bedeutung, als eine Fliege aus dem Weg zu schnipsen. – Es ist spät, ich muß zurück.«
    Der Capitano begleitete den Maresciallo zur Tür. Offensichtlich hatte er noch etwas auf dem Herzen. Sie hielten inne. »Jemand anders hat mich auch noch gebeten, Ihnen zu danken«, erklärte der Capitano dann, ohne den Maresciallo anzusehen. »Ich habe ihr gesagt, daß Sie sich wahrscheinlich mehr darüber freuen würden, wenn sie sich direkt bei Ihnen bedankt. Ich hoffe, das war Ihnen nicht unrecht?«
    »Aber nein. Sie hat mich gestern abend tatsächlich angerufen. Es war sehr freundlich von der Signora, solch eine Kleinigkeit nicht zu vergessen.«
    »Für sie war es wichtig.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht. Schade, daß sie Florenz verläßt.«
    »Ja, das hat sie mir auch erzählt. Sie hat ihre Recherche beendet und beschlossen, das Buch in Frankreich zu schreiben. Ihre Eltern werden langsam alt und gebrechlich, und sie möchte in ihrer Nähe sein.«
    »Nur zu verständlich.«
    Das Gesicht des Capitano wirkte erschöpft und war ganz blaß. Er wünschte dem Maresciallo eine gute Nacht und kehrte an seinen makellosen Schreibtisch zurück. Der Maresciallo schloß die schwere Eichentür hinter sich und ging den leeren Flur hinunter zum Kreuzgang. Draußen wurde es langsam dunkel. Er wollte nach Hause.
     
    Im ersten Jahr, als Teresa mit den Jungen endlich zu ihm nach Florenz gezogen war, konnte der Maresciallo der Versuchung nicht widerstehen, Giovanni an dessen Ehrentag, an dem er gleichzeitig Geburtstag und Namenstag feierte, ein wenig auf den Arm zu nehmen.
    »Der Bürgermeister hat ein riesiges Feuerwerk in Auftrag gegeben, und der Palazzo Vecchio, du weißt schon, der mit dem hohen Turm, wo der Bürgermeister sein Büro hat, der wird ganz mit Fackeln beleuchtet sein, wie ein Märchenschloß …«
    Der ernste, kleine Junge hatte ihm mit weitaufgerissenen Augen schweigend gelauscht. Und als sie dann hinaus in die dunkle Nacht gingen und sich an das noch immer sonnenwarme Geländer des Ponte Santa Trinità lehnten, da war er noch immer viel zu aufgeregt gewesen, um auch nur ein Wort zu sagen. Hunderte Familien säumten das Flußufer, kleine Kinder saßen auf den Schultern ihrer Väter. Die Straßenbeleuchtung ging aus, und eine erste große Explosion rosafarbenen und goldenen Lichts erleuchtete den Abendhimmel, um dann direkt auf ihr Spiegelbild im Arno hinunterzuregnen. Giovanni war viel zu überwältigt, um in den allgemeinen Chor der Ohs und Ahs einzustimmen. Totò hingegen hatte beim Anblick der Menge sofort alles begriffen, aber das fassungslose Staunen seines Bruders mochte selbst er nicht mit Hänseleien verderben.
    Als der Maresciallo Totò auf das Brückengeländer stellte und ihn festhielt, wandte er den Blick hinauf in den grün funkelnden Abendhimmel.
    »Das ist unglaublich, nicht wahr, Babbo?«
    »Als er dann zur Schule ging, fand er natürlich sehr schnell heraus, daß San Giovanni der Schutzpatron von Florenz war, und die Hänseleien wurden Familientradition: ›Wie du siehst, hat der Bürgermeister dir auch in diesem Jahr wieder die Ehre erwiesen …‹
    In diesem Jahr allerdings mußte sich der
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