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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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meine Prüfung als Steuerberater geschafft hatte und er mir seine Buchhaltung übergab, da mußte ich feststellen, daß er ein Vermögen verdiente. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe? Wir hätten richtig gut leben können.«
    Immer wieder forderte er den Maresciallo auf, sich in seine Lage zu versetzen, erwartete Verständnis, Mitgefühl. Doch für seinen Vater hatte er weder Verständnis noch Mitgefühl übrig.
    »Ich habe ihn dazu überredet, sich sofort eine vernünftige Wohnung zu kaufen, sagte ihm, dadurch könne er Steuern sparen, und da er nie auch nur einen Blick auf die Zahlen warf …«
    »Hat es da angefangen? Sind Sie da auf die Idee gekommen?«
    »Nein, aber da endlich hörte ich auf, mich für ihn zu schämen, war einfach nur noch wütend auf ihn.«
    »Dann haben Sie seinen berühmten Jähzorn geerbt?«
    »Ich hatte ja wohl allen Grund, wütend auf ihn zu sein, oder etwa nicht? Aber da hat es nicht angefangen, da lebte meine Mutter noch. Sie wurde krank, kurz nachdem sie in die neue Wohnung eingezogen waren.«
    »Hatte sie Schwierigkeiten, sich dort einzuleben?«
    »Sie mochte die Wohnung. Es war eine gute Investition, und außerdem … Sie können sich das doch bestimmt vorstellen, nach diesem schäbigen, alten Loch im Stadtzentrum. Sie zeigte die Wohnung allen Leuten, war ganz stolz darauf, wie sauber und hell sie war und wie wenig Arbeit sie machte:
    ›Ich weiß kaum noch, was ich mit meiner Zeit anfangen soll. Am anderen Ende der Straße gibt es einige nette Geschäfte, wirklich sehr nett. Und die Bushaltestelle ist auch ganz in der Nähe. Ich habe nämlich keinen Führerschein. Gherardo hat einfach an alles gedacht‹«, äffte er sie gefühllos nach. »Und dann kriegt sie Krebs.«
    »Also hat alles angefangen, nachdem sie gestorben war?« Das war immerhin etwas.
    »Mit dem Auto ging es los. Er hatte diesen erbärmlichen Fiat, weigerte sich, eine ausländische Marke zu kaufen. Sein ganzes Leben lang hat er immer nur diese langweiligen, völlig überteuerten Autos von Agnelli gekauft.
    ›Ein italienisches Auto ist gut genug für mich. Die Leute kaufen diese ausländischen Wagen und stellen dann plötzlich fest, daß nicht nur die Ersatzteile ein Vermögen kosten, sondern daß sie auch erst einmal jemanden finden müssen, der sie reparieren kann.‹
    Seit Jahren rede ich mir den Mund fusselig, daß diese Zeiten längst vorbei sind. Wenn er unbedingt ein langweiliges, kleines Auto haben will, dann muß er ja nicht Agnellis lose Moral bezuschussen, sondern kann sich für das halbe Geld genausogut einen Japaner kaufen, da bekommt er die deutlich bessere Qualität. Zum guten Schluß habe ich einfach die Geschichte mit dem Feuerteufel ausgenutzt und das verdammte Ding in Brand gesetzt, bei der Versicherung den Schadensersatzanspruch geltend gemacht und ihm ein halbwegs anständiges Auto hingestellt. Das war der erste Mercedes. Er ist nie damit gefahren, natürlich nicht.«
    »Aber Sie haben es dann getan.«
    »Er hat ihn nie benutzt, hat mir gesagt, ich solle ihn behalten, und fährt seitdem Bus.«
    Mit einem verächtlichen Schnauben griff er nach dem marmornen Ascher und legte die Zigarre darin ab. Er war vom gleichen hageren, knochig wirkenden Äußeren wie sein Vater und hatte genauso dichtes Haar, nur war seines schwarz, das seines Vaters grau.
    »Was passiert jetzt? Packen Sie die Handschellen aus?«
    »Ich habe keine Handschellen.«
    »Was dann?«
    »Ich werde anrufen. Wenn es an der Zeit ist.«
    »Werden Reporter und Fotografen dasein?«
    »Wollen Sie das?«
    Er zuckte gleichmütig mit den Schultern, fuhr sich dennoch mit der Hand kurz durchs Haar und kontrollierte sein Äußeres mit einem raschen, kaum wahrnehmbaren Blick.
    Der Maresciallo stellte sich ihn im Gerichtssaal vor, wie er den Richter alle Augenblicke aufforderte, sich in seine Lage zu versetzen. »Es ist sehr gut möglich, daß die Zeitungen eine große Sache daraus machen«, konnte er sich nicht verkneifen kurz einzuflechten. »Ihr Vater ist eine sehr bekannte Persönlichkeit.«
    »Mein Vater? Ach, in seinem Viertel vielleicht oder auch in dieser gottverdammten Stadt, von der er glaubt, sie sei das Zentrum der Welt.«
    »In Florenz, jawohl, und in einer ganzen Menge anderer europäischer Städte und in Japan. Er ist ein außergewöhnlich begabter Mann und hat Kunden in der ganzen Welt. Und er ist ein reicher Mann, nicht wahr? Ich meine, sehen Sie sich doch einmal um. Seine Begabung, seine Kunstfertigkeit hat das
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