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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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interessieren ein Mord und ein Selbstmord und eine zutiefst unglückliche Mutter.«
    »Ich verstehe. Wir haben nie über die Erbschaftssteuer gesprochen.«
    »Aber natürlich. Sie sind ein absolut diskreter Mann.«
    »Bitte, Maresciallo, mir ist das sehr ernst, so wie Ihnen, als Sie mir sagten, daß Sie nichts unter den Teppich kehren wollten. Ich habe Ihnen geglaubt.«
    Das Gesicht des Mannes hatte sich leicht gerötet, aber sein Blick war offen und hielt dem seinen stand, als er dem Maresciallo die Hand reichte. »Es kam mir bloß in den Sinn, mehr nicht – und vielleicht darf ich noch hinzufügen, daß es mir ebenfalls in den Sinn kam, daß selbst ein jähzorniger Schuhmacher eine Vergangenheit haben kann und daß er vielleicht erpreßt wird.«
    Dieses Mal war es der Maresciallo, der sein Erstaunen zum Ausdruck brachte. »Peruzzi? Erpreßt? Peruzzi?«
    Lorenzini hatte etwas auf ein Stück Papier gekritzelt und es dem Maresciallo in die Hand gedrückt.
    Der Maresciallo setzte die Kappe und die Sonnenbrille auf, überquerte die Straße und marschierte den Anstieg zum Palazzo Pitti hinauf. Warum nur fühlte er sich auf einmal so gräßlich?
    »Tag, Maresciallo«, grüßte jemand. »Ist das nicht schrecklich? Hoffen wir, daß es nicht den ganzen Sommer über anhält.«
    »Tag … ja …« Die Hitze. Der Vorplatz war der prallen Sonne ausgesetzt, sie knallte unbarmherzig auf ihn herunter, drang durch Kappe und Uniform. Er war müde, aber er würde Schritt für Schritt weiter vorwärts gehen. Das war die Lösung: sich Schritt für Schritt vorwärtsbewegen. Sein Fahrer wartete im tiefen Schatten des Torbogens. Gut. Er stieg ein und starrte, mit den Gedanken noch ganz woanders, einen Moment auf Lorenzinis Gekritzel. Dann las er:
    ›Esposito und jap. Mädchen auf Film unserer Überwachungskamera; 21. Mai, 12:04‹
    Das war ein Fausthieb in die Magengrube, dennoch reagierte er gelassen darauf, einfach ein weiterer Punkt, mit dem er sich würde befassen müssen. Er rief Lorenzini an.
    »Können Sie sprechen?«
    »Ja. Ich bin noch immer in der Bank, aber der Geschäftsführer hat mich für einen Augenblick in seinem Büro allein gelassen.«
    »Dann berichten Sie.«
    »Ich habe alle Berichte vom 21. Mai überprüft. Esposito hatte an diesem Morgen Außendienst. Er ist mit Di Nuccio bei Signora Verdi gewesen, um diese Trickbetrüger zu schnappen, die, die behauptet haben, sie kämen von den Gaswerken.«
    »Ich erinnere mich. Und dann?«
    »Di Nuccio ist gefahren. Auf dem Rückweg ist Esposito an der Piazza Pitti ausgestiegen, direkt vor der Bank, wollte noch rasch was erledigen.«
    »Verstehe.«
    »Ich habe alle Filme unserer Überwachungskamera durchgesehen, um zu überprüfen, wann er zurückgekehrt ist. Er stand mit dem Mädchen um 12:04 Uhr draußen vor der Wache. Und es sah so aus, als würden sie sich streiten. Er schaute auf die Uhr und kam herein. Sie stand noch ein Weilchen da, ging ein paar Schritte in Richtung Ausgang, drehte sich dann um und ging schnurstracks auf dem Hauptweg in Richtung Boboli-Garten.«
    »Ist Esposito wieder herausgekommen?«
    »Ich habe das Band weiterlaufen lassen, aber wenn er es getan hat, dann war er nicht in Uniform. Es war einiges los dort unten, einige Leute kamen aus dem Büro des Parkwächters, andere aus der Wache … Wir haben halt denselben Eingang.«
    »Egal, die anderen müssen doch wissen, ob er mit ihnen gegessen hat.«
    »Hat er nicht, seit Tagen schon nicht mehr. Er hat sich immer in seinem Zimmer eingeschlossen, wenn er nicht im Dienst war. Mit Sicherheit kann ich sagen, daß er um halb drei beim Staatsanwalt wegen des Selbstmords war – der Mann mit fünf Kindern, der seine Arbeit verloren und sich vergiftet hat. Wir haben also nicht nur kein bombensicheres Alibi für ihn, ehrlich gesagt, haben wir nicht einmal den Hauch eines Alibis.«
    »Nein.«
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Nichts.«
    Sie fuhren über den Arno, und der Fahrer hielt in der Via de’ Servi an der Rückseite des Doms.
    Dott. G. Peruzzi, Steuerberater, 2. Stock, war in ein großes Messingschild im Eingangsbereich graviert, der ganz in Marmor gehalten war. Der Maresciallo nahm den Aufzug und klingelte an der Tür des Steuerberaters. Die Tür öffnete sich, und am Ende eines mit grünem Teppichboden ausgelegten Flurs stand ein großer, eleganter Mann mit dichtem schwarzem Haar und einem hellgrauen Anzug in einer offenen Tür. Der Maresciallo blickte verdutzt. Er hatte in einem Büro mit dieser
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