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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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Geschäftsadresse hektische Aktivität, Sekretärinnen und eventuell sogar eine längere Wartezeit erwartet. Der Mann sagte nur ein einziges Wort:
    »Scheiße.« Dann kehrte er zurück in sein Büro, ließ die Tür aber offen.
    10
    Der Maresciallo hatte es nicht eilig, ans andere Ende des Flurs zu gelangen. Ganz im Gegenteil, seine Schritte verlangsamten sich unwillkürlich. Der dicke, grüne Teppich verschluckte das Geräusch seiner Schuhe. Wahrscheinlich lag es daran und an dieser durch akuten Schlafmangel hervorgerufenen Benommenheit, daß er meinte, wieder in seinen Alptraum zurückgekehrt zu sein. Wieder krampfte sich sein Magen vor atemloser Beklemmung zusammen, in seinem Kopf machte sich schlagartig Leere breit. Dieser Gang über den Teppich schien in Zeitlupe abzulaufen, ermöglichte ihm, tausend kleine Details wahrzunehmen, Hinweise, Dinge, die nicht da waren. Nirgendwo klingelte ein Telefon, niemand eilte an ihm vorbei, trug Unterlagen von einem Büro ins andere, obwohl er an vielen verschlossenen Türen vorbeiging. Zigarrenrauch hing in der Luft. Am hinteren Ende öffnete sich der Flur in einen großzügig dimensionierten, mit Teppichboden ausgelegten Empfangsbereich. Der Maresciallo nahm einen großen Schreibtisch zu seiner Linken wahr, den Hauch eines leichten, sommerlich duftenden Parfüms und die schmalen, braunen Schultern einer jungen Frau, die schweigend beobachtete, wie er sich langsam näherte. Er wandte den Kopf nicht zu ihr um, ließ mit den Augen die offenstehende Tür direkt vor ihm nicht aus dem Blick. Er betrat den Raum und blieb stehen.
    »Peruzzi, Gherardo.«
    »Anwesend.« Als melde er sich zum Appell. Er saß weit zurückgelehnt in einem ledernen Bürosessel, die langen Beine unter den Schreibtisch gestreckt, im Mund eine Zigarre.
    Plötzlich verspürte der Maresciallo überhaupt keine Eile mehr, hatte alle Zeit der Welt, diesen Mann und dessen Zimmer gründlich zu mustern. Es war ein großer Raum. Kein grüner Teppich, sondern poliertes Holz und kostbare Perser. Der Maresciallo hatte genug Zeit in den Antiquitätenläden von Florenz verbracht, um den Wert der wenigen, gewaltigen Möbelstücke in diesem Zimmer abschätzen zu können. Die moderne Beleuchtung kontrastierte mit den alten Gemälden an der Wand. Der Maresciallo erblickte sich selbst in einem mächtigen Spiegel, der so groß war, daß sich fünf Personen seiner Statur bequem darin hätten spiegeln können. Der handgeschnitzte, vergoldete Rahmen wiederum reflektierte die goldene Flamme seiner Kappe. Er nahm sie ab, atmete langsam aus und erwiderte den ironisch starren Blick des Mannes, der da vor ihm saß. Er hatte nicht die Absicht, als erster das Wort zu ergreifen. Er hatte gefunden, was er gesucht hatte. Das genügte.
    »Werden Sie mich jetzt festnehmen, oder nehmen Sie Platz?«
    Der Maresciallo blickte sich um, entschied sich für einen stabil aussehenden Stuhl und ließ sich darauf nieder, die Kappe wie immer auf dem Knie abgelegt.
    »Wie haben Sie es herausgefunden? Ich bin nur neugierig, eigentlich ist es ziemlich egal.«
    »Ja, das ist es wirklich, das heißt, Ihrem Vater ist es vielleicht nicht egal.«
    »Mein Vater ist ein Dummkopf, wie Sie bestimmt schon bemerkt haben – Sie kennen ihn doch, oder?«
    »Ja, ich kenne ihn.«
    »Fummelt sein Leben lang in dieser schäbigen Bruchbude an langweiligen, altmodischen Schuhen herum. In der Zeit, in der er mal gerade ein einziges Paar schafft, produziert eine moderne Fabrik mehrere tausend Schuhe am Fließband.«
    »Ja, da haben Sie bestimmt recht.«
    »Wie haben Sie es herausgefunden? Hat sie ihrem kleinen Freund von dem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Bank erzählt? Sie hat behauptet, daß sie nichts gesagt hätte, das verdammte Luder.«
    »Hat sie auch nicht. Sie wußten, daß der Geschäftsführer der Bank mit ihr reden wollte?«
    »Natürlich wußte ich das, und ich konnte leider nichts anderes tun, als dem höflich zuzustimmen. Er hat gedroht, die Hypothek platzen zu lassen.«
    »Warum haben Sie es soweit kommen lassen? Wo Sie doch so lange mit alldem problemlos durchgekommen sind?« Vielsagend ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen.
    Der junge Mann zuckte mit den Schultern. »Ich wollte einen bmw . Hab mit dem Mercedes ein bißchen Pech gehabt. Und dann wollte ich das Büro hier kaufen. Miete zahlen ist was für Idioten.«
    »Genauso, wie Schuhe in Handarbeit herzustellen.«
    »Richtig.«
    »Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich irgendwelche Kunden, für
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