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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar
Autoren: Andreas Eschbach
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Du-dumm. Du-dumm.
    »Da hat jemand nach dir gefragt«, sagte er, als John auf das Badezimmer zusteuerte.
    »Was?« John blieb stehen. Nur pinkeln und ins Bett und keinen Schritt weiter, das hatte er sich die ganze letzte Stunde wieder und wieder versprochen. »Nach mir?«
    »Zwei Männer.«
    »Was für Männer?«
    »Keine Ahnung. Männer eben.« Du-dumm. Du-dumm. »Zwei Männer in stinkfeinen Anzügen, mit Krawatten und Krawattennadeln und so weiter, und sie wollten wissen, ob hier ein gewisser John Salvatore Fontanelli wohnt.«
    Jetzt opferte John doch noch ein paar Schritte extra, in die Küche. Marvin machte unbeirrbar weiter mit der Herzmassage für den kranken Riesen. Du-dumm. Du-dumm. »John Salvatore«, sagte Marvin und schüttelte tadelnd den Kopf. »Ich wusste nicht mal, dass du einen mittleren Namen hast. Übrigens, du siehst beschissen aus.«
    »Danke. Murali hat mich gefeuert.«
    »Kein schöner Zug von ihm. Wo wir doch nächste Woche schon wieder Miete zahlen sollen.« Du-dumm. Du-dumm. Ohne aus dem Takt zu kommen, langte Marvin neben sich auf den Küchentisch und reichte John eine Visitenkarte. »Da, soll ich dir geben.«
    Es war eine teuer aussehende, vierfarbig bedruckte Karte, die ein verschnörkeltes Wappen zeigte. Darunter stand:
     
    Eduardo Vacchi
    Rechtsanwalt, Florenz, Italien
     
    z. Zt. The Waldorf Astoria
    301 Park Avenue, New York, N.Y.
    Tel. 212-355-3000
     
    John glotzte auf die Karte. Alles an ihm wurde schwer von der Wärme in der Küche. »Eduardo Vacchi… Ich schwöre, ich habe diesen Namen noch nie gehört. Hat er gesagt, was er von mir will?«
    »Du sollst ihn anrufen. Er hat gesagt, wenn du kommst, soll ich dir die Karte geben und sagen, dass du ihn anrufen sollst, es sei wichtig.« Du-dumm. »Eine Erbschaftsangelegenheit.« Du-dumm. »Klingt in meinen Ohren so ähnlich wie das Wort ›Geld‹. Gut, oder?«

2
    Der alte Mann – der Padrone , wie ihn Eduardo genannt hatte – legte das Kissen beiseite, das er auf seinem Schoß liegen gehabt hatte, legte es auf ein kleines Tischchen, das neben ihm stand. Dann stemmte er sich mit einiger Mühe aus dem Sessel hoch, zog mit gichtigen Fingern die Strickjacke zurecht und lächelte sanft in die Runde.
    John saß erstarrt, wie vom Donner gerührt. Sein Gehirn hatte völlig ausgesetzt.
    Mit leisen, irgendwie sehr relaxten Schritten ging der Mann, den Eduardo Vacchi als seinen Großvater bezeichnet hatte, um den Tisch herum, gerade so, als habe er alle Zeit der Welt. Als er hinter John vorbeiging, tätschelte er ihm wohlwollend die Schulter, ganz leicht und beiläufig, und doch war es John, als nehme der Padrone ihn damit gewissermaßen in seine Familie auf. Ebenso entspannt und gelassen vollendete er seinen Gang um den Tisch, nahm ruhig auf dem letzten freien Stuhl Platz und schlug die letzte Mappe auf, die noch nicht aufgeschlagen worden war.
    Johns Verstand weigerte sich zu begreifen, was hier zu geschehen im Begriff war. Dabei war das doch wie bei den Intelligenztests. Wir haben die Reihe 2 – 4 – 6 – 8, wie lautet die logisch nächste Zahl? Richtig, 10. Wir haben die Reihe 2-4-8-16, wie lautet die logisch nächste Zahl? 32, richtig. Wir haben die Reihe achtzigtausend – vier Millionen – zwei Milliarden, wie lautet die logisch nächste Zahl?
    Aber hier endete alle Logik. Vielleicht waren das doch keine Anwälte. Vielleicht waren das Verrückte, die ein verrücktes Spiel spielten. Vielleicht war er das Opfer eines psychologischen Versuchs. Vielleicht war das doch alles bloß »Versteckte Kamera«.
    »Mein Name ist Cristoforo Vacchi«, sagte der alte Mann mit einer sanften, unerwartet volltönenden Stimme, »und ich bin Anwalt aus Florenz, Italien.«
    Dabei sah er John an, und die Intensität dieses Blicks ließ John alle Gedanken an psychologische Versuche und versteckte Kameras vergessen. Dies hier war echt, war real, war so unleugbar wirklich, dass man beinahe Stücke davon abschneiden konnte.
    Eine Pause entstand. John hatte das Gefühl, dass von ihm erwartet wurde, etwas zu sagen. Zu fragen. Sich irgendwie zu äußern mit seinem ausgetrockneten Rachen, seiner Lähmung im Unterkiefer, seiner auf Fußballgröße angeschwollenen Zunge und seinem absoluten Verlust aller Sprache. Doch alles, was er fertig brachte, war eine Art keuchendes Flüstern: » Noch mehr Geld?«
    Der Padrone nickte mitfühlend. »Ja, John. Noch mehr Geld.«
    »Wie viel?«, krächzte John und wollte es doch gar nicht wissen.
    Es war schwer zu sagen, wie alt
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