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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar
Autoren: Andreas Eschbach
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PROLOG
    Endlich öffneten sich zwei Türflügel vor ihnen, und sie betraten einen von geradezu überirdischem Licht erfüllten Raum. Ein großer, ovaler Tisch aus dunklem Holz beherrschte seine Mitte, davor standen zwei Männer und sahen ihnen erwartungsvoll entgegen.
    »Mister Fontanelli, ich darf Ihnen meine Partner vorstellen«, meinte der junge Anwalt, nachdem er die Türen hinter ihnen geschlossen hatte. »Zunächst meinen Vater, Gregorio Vacchi.«
    John schüttelte die Hand eines streng dreinblickenden, etwa fünfundfünfzigjährigen Mannes, der einen grauen, einreihigen Anzug trug und eine Brille mit schmalem Goldrand und mit seinem dünn werdenden Haar etwas von einem Buchhalter an sich hatte. Man konnte ihn sich als Anwalt für Steuerfragen vorstellen, wie er vor den Schranken eines Verwaltungsgerichts mit dünnlippigem Mund trockene Paragrafen aus dem Handelsrecht zitierte. Der Händedruck fühlte sich kühl und trocken an, geschäftsmäßig, und er murmelte etwas von »erfreut, Sie kennen zu lernen«, wobei man nicht den Eindruck hatte, dass er wusste, was das hieß: sich zu freuen.
    Der andere Mann war wohl noch etwas älter, wirkte aber mit seinem vollen, lockigen Haar und seinen buschigen Augenbrauen, die seinem Gesichtsausdruck etwas Düsteres verliehen, wesentlich vitaler. Er trug einen Zweireiher, dunkelblau, mit einer streng konventionellen Klubkrawatte und einem formvollendet gesteckten Kavalierstuch in der Brusttasche. Ihn konnte man sich vorstellen, wie er, mit einem Glas Champagner in der Hand, in einer Edelkneipe den Sieg in einem aufsehenerregenden Mordprozess feierte und zu vorgerückter Stunde den Kellnerinnen lachend in den Hintern zwickte. Sein Händedruck war fest, und er sah John fast unangenehm tief in die Augen, während er sich mit dunkler Stimme vorstellte: »Alberto Vacchi. Ich bin Eduardos Onkel.«
    Erst jetzt bemerkte John, dass in einem ausladenden Ohrensessel vor einem der Fenster noch jemand saß – ein alter Mann, der die Augen geschlossen hielt, aber nicht so wirkte, als schlafe er wirklich. Eher, als sei er zu erschöpft, um sich allen Sinnen aussetzen zu können. Sein faltiger Hals ragte mager aus dem weichen Kragen eines Hemdes, über dem er eine graue Strickweste trug. Auf dem Schoß hatte er ein kleines Samtkissen liegen, auf dem wiederum seine gefalteten Hände ruhten.
    »Der Padrone «, sagte Eduardo Vacchi leise, der Johns Blick bemerkt hatte. »Mein Großvater. Wie Sie sehen, sind wir ein Familienunternehmen.«
    John nickte nur, wusste nicht, was er sagen sollte. Er ließ sich zu einem Stuhl dirigieren, der einsam an der einen Breitseite des Konferenztisches stand, und folgte der Einladung einer Hand, sich zu setzen. Auf der gegenüberliegenden Tischseite standen vier Stühle nebeneinander, die Lehnen ordentlich an die Tischkante gerückt, und auf den Plätzen vor diesen Lehnen lagen dünne Aktenmappen aus schwarzem Leder, in das ein Wappen geprägt war.
    »Wollen Sie etwas trinken?«, wurde er gefragt. »Kaffee? Mineralwasser?«
    »Kaffee, bitte«, hörte John sich sagen. In seinem Brustkorb rührte sich wieder das flatternde Gefühl, das ihn befallen hatte, seit er in die Halle des Waldorf-Astoria gekommen war.
    Eduardo verteilte Kaffeetassen, die auf einem kleinen fahrbaren Beistelltisch ordentlich aufgestellt bereitstanden, stellte Sahnekännchen und Zuckerstreuer aus getriebenem Silber dazu, schenkte überall ein und stellte die Kanne neben Johns Tasse ab. Die drei Vacchis nahmen Platz, Eduardo auf der Seite, die von John aus gesehen rechts lag, Gregorio, der Vater, neben ihm, und Alberto, der Onkel, wiederum neben diesem. Der vierte Platz, ganz links, blieb leer.
    Ein allgemeines Sahneeingießen, Zuckerstreuen und Kaffeeumrühren setzte ein. John starrte auf die wunderbare, mahagonirote Maserung der Tischplatte. Das musste Wurzelholz sein. Während er seinen Kaffee umrührte, mit einem schweren, silbernen Kaffeelöffel, versuchte er, sich unauffällig umzusehen.
    Durch die Fenster hinter den drei Anwälten ging der Blick weit hinaus über ein helles, flirrendes New York, in dessen Schluchten das Sonnenlicht tanzte, und auf einen East River, der in tiefem, hellgesprenkeltem Blau glänzte. Rechts und links der Fenster fielen duftige, lachsfarbene Vorhänge herab, die einen vollendeten Kontrast zu dem schweren, makellos dunkelroten Teppichboden und den schneeweißen Wänden bildeten. Unglaublich. John nippte an seinem Kaffee, der stark und aromatisch schmeckte,
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