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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar
Autoren: Andreas Eschbach
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und Krankheiten und Todesfällen die Rede gewesen, nie von Kindern. Es konnte tatsächlich sein.
    »Worin bestehen denn diese zwei Milliarden Dollar?«, fragte er schließlich. »Ich nehme an, in irgendwelchen Firmenanteilen, Aktien, Ölquellen und solchem Zeug?«
    »Geld«, erwiderte Alberto. »Einfach nur Geld. Unzählige Sparkonten bei unzähligen Banken überall auf der Welt.«
    John sah ihn an und hatte ein saures Gefühl im Magen. »Und ich soll das erben, nur weil ich zufällig vor zwei Tagen der jüngste Fontanelli war? Was macht das für einen Sinn?«
    Der Anwalt erwiderte seinen Blick, lange und geradezu versonnen. »Ich weiß nicht, was das für einen Sinn macht«, gestand er. »Es ist eben so. Wie vieles im Leben.«
    John fühlte sich schwindlig. Schwindlig und schmutzig, zerlumpt, ein Mann in billigen Fetzen, die die Bezeichnung Kleidungsstücke kaum verdienten. Immer noch plapperte eine Stimme in seinem Kopf, die der festen Überzeugung war, dass er hier gelinkt, betrogen, auf irgendeine nicht fassbare Weise übers Ohr gehauen werden sollte. Und immer noch war darunter ein tief in seinem Inneren wurzelndes Gefühl, massiv wie das Granitfundament von Manhattan, dass diese Stimme sich irrte, dass sie nichts weiter war als das Produkt unzähliger Stunden vor dem Fernsehschirm, wo es nie vorkam, dass den Leuten einfach etwas Gutes widerfuhr. Die Dramaturgie des Films ließ so etwas nicht zu. So etwas konnte nur in der Wirklichkeit passieren.
    Das Gefühl, das sich eingestellt hatte, als er diesen Raum betreten hatte – das Gefühl, an einem Wendepunkt seines Lebens angekommen zu sein –, war immer noch da. Stärker als zuvor sogar.
    Nur war jetzt die Angst hinzugetreten, von dieser Wende zermalmt zu werden.
    Zwei Milliarden Dollar.
    Er konnte sich Geld geben lassen. Wenn sie gekommen waren, um ihm zwei Milliarden Dollar zu vermachen, dann konnten sie ihm vorab ein paar Tausender geben, ohne dass es jemandem wehtat. Dann konnte er sich einen eigenen Anwalt nehmen, der alles genau überprüfen würde. Paul Siegel fiel ihm ein. Paul kannte Anwälte. Kannte bestimmt die besten Anwälte der Stadt. Genau. John atmete tief durch.
    »Die Frage ist immer noch dieselbe«, sagte Alberto Vacchi, Anwalt und Vermögensverwalter aus Florenz, Italien, sanft. »Nehmen Sie die Erbschaft an?«
    War es gut, reich zu sein? Bisher hatte er sich immer nur angestrengt, nicht allzu arm zu sein. Hatte diejenigen, die dem Geld hinterher waren, verachtet. Andererseits – das Leben war so viel einfacher und angenehmer, wenn man Geld hatte. Kein Geld zu haben hieß immer, in Zugzwang zu sein. Keine Wahl zu haben. Dinge tun zu müssen , egal ob sie einem gefielen oder nicht. Wahrscheinlich war das das einzige ewig gültige Gesetz: dass es einem mit Geld besser ging als ohne. Er brauchte nur an den dicken schwarzen Wagen zu denken, der ihn angefahren hatte auf seiner letzten Pizzatour. Ihn hatte dieser Zusammenstoß den Job und den Verdienst von zwei Wochen gekostet. Der Bonze im Wagen hatte den Zusammenprall wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.
    John atmete aus. Er hatte sich schon wieder dabei ertappt, die Luft angehalten zu haben. Eine schlechte Angewohnheit.
    »Die Antwort«, sagte er dann, und er fand, das klang cool, »ist auch noch dieselbe. Ja.«
    Alberto Vacchi lächelte. Bei ihm wirkte es warm und echt gemeint. »Meinen herzlichen Glückwunsch«, sagte er und klappte seine Mappe zu.
    Eine ungeheure Spannung wich von John, und er ließ sich zurücksinken, gegen die gepolsterte Lehne seines Stuhls. War er eben Milliardär. Und wenn schon; es gab wirklich Schlimmeres, was einem passieren konnte. Er sah die drei Anwälte an, die ihm im Halbkreis gegenübersaßen wie ein Musterungsausschuss, und musste beinahe grinsen.
    In diesem Augenblick erhob sich der alte Mann aus seinem Lehnstuhl am Fenster.

1
    Johns Kindheit war bevölkert gewesen von geheimnisvollen Männern. Allein waren sie gekommen oder in Gruppen, zu zweit, zu dritt, hatten ihn vom Rand des Spielplatzes beobachtet, ihm auf dem Schulweg zugelächelt und über ihn gesprochen, wenn sie glaubten, dass er sie nicht verstand oder hörte.
    »Das ist er«, hatten sie gesagt, auf Italienisch. Und: »Wir müssen noch warten.« Und sie hatten einander erklärt, wie schwer es ihnen fiel, das Warten.
    Seine Mutter erschrak zu Tode, als er zu Hause davon erzählte. Eine endlose Zeit lang durfte er nicht allein aus dem Haus, musste den anderen Kindern vom Fenster aus beim Spielen
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