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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar
Autoren: Andreas Eschbach
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eine solche Erbzeremonie normalerweise ablaufen musste, aber das war jedenfalls seltsam.
    Er versuchte, sich an Filme zu erinnern, die er gesehen hatte. Verdammt, er hatte doch so viele Filme gesehen, mehr oder weniger seine Jugend vor dem Fernseher und im Kino verbracht – wie war denn das gewesen? Eine Testamentseröffnung, jawohl. Wenn jemand gestorben war, dann gab es eine Testamentseröffnung, zu der alle infrage kommenden Erben zusammenkamen, um dann aus dem Mund eines Notars zu erfahren, wer wie viel erbte. Und sich anschließend zu zanken.
    Genau! Wie ging denn das überhaupt vor sich, wenn jemand starb und etwas zu vererben hatte? Die ersten Erben waren doch Ehegatten und Kinder, oder? Wie konnte es angehen, dass er etwas erben sollte und seine Brüder nicht? Und wieso erbte er überhaupt etwas, wenn sein Vater noch lebte?
    Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Sein Herz und seine Atmung schalteten einen Gang zurück. Nur nicht zu früh freuen. Erst mal einen auf misstrauisch machen war angesagt.
    John räusperte sich. »Ich muss noch mal ganz dumm fragen«, begann er. »Wieso soll ausgerechnet ich etwas erben? Wie kommen Sie auf mich?«
    Der Anwalt nickte ruhig. »Wir haben sehr ausführliche und sehr gründliche Recherchen angestellt. Wir hätten Sie nicht um eine Unterredung gebeten, wenn wir unserer Sache nicht hundertprozentig sicher wären.«
    »Schön, Sie sind sich sicher. Aber ich nicht. Wissen Sie zum Beispiel, dass ich zwei Brüder habe? Muss ich ein Erbe nicht mit denen teilen?«
    »In diesem Fall nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie sind als Alleinerbe bezeichnet.«
    »Und wer, zum Teufel, kommt auf die Idee, ausgerechnet mich als Alleinerben von zwei Milliarden Dollar einzusetzen? Ich meine, mein Vater ist Schuhmacher. Und ich weiß von unserer Verwandtschaft zwar nicht viel, aber ich bin mir sicher, dass sich kein Milliardär darunter befindet. Der reichste Mann dürfte mein Onkel Giuseppe sein, der ein Taxiunternehmen in Neapel besitzt, mit zehn oder zwölf Fahrzeugen.«
    Alberto Vacchi lächelte. »Richtig. Und der lebt noch und erfreut sich, soweit wir wissen, bester Gesundheit.«
    »Also. Wie soll dann so ein Erbe zustande kommen?«
    »Das klingt, als seien Sie nicht sehr daran interessiert.«
    John spürte, dass er allmählich wütend wurde. Er wurde selten wütend, noch seltener richtig wütend, aber hier und heute konnte es gut sein, dass es so weit kam. »Warum weichen Sie mir dauernd aus? Warum machen Sie so ein Geheimnis darum? Warum sagen Sie mir nicht einfach, der und der ist gestorben?«
    Der Anwalt blätterte in seinen Papieren, und es sah verdammt noch mal nach einem Ablenkungsmanöver aus. So, wie wenn jemand in einem leeren Terminkalender blättert und so tut, als hätte er Mühe, einen freien Termin zu finden.
    »Es handelt sich hier«, gab er schließlich zu, »nicht um einen normalen Erbfall. Normalerweise gibt es ein Testament, einen Testamentsvollstrecker und eine Testamentseröffnung. Das Geld, um das es hier geht, ist Eigentum einer Stiftung – in gewisser Weise könnte man sagen, es gehört im Augenblick sich selbst. Wir verwalten es lediglich, seit der Stifter gestorben ist – was schon vor sehr langer Zeit war. Er hat eine Verfügung erlassen, derzufolge das Vermögen der Stiftung auf den jüngsten männlichen Nachfahren übergehen soll, der am 23. April des Jahres 1995 am Leben ist. Und das sind Sie.«
    John kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Der 23. April… das war vorgestern. Warum ausgerechnet dieser Tag?«
    Alberto zuckte mit den Schultern. »Das ist so festgelegt.«
    »Und ich soll der jüngste Fontanelli sein? Sind Sie sicher?«
    »Ihr Onkel Giuseppe hat eine fünfzehnjährige Tochter. Aber eben eine Tochter. Ein Cousin Ihres Vaters, Romano Fontanelli, hatte einen Sohn, Lorenzo. Der ist jedoch, wie Sie wahrscheinlich wissen, vor zwei Wochen überraschend verstorben.«
    John starrte die spiegelnde Wurzelholztischplatte an wie ein Orakel. Es konnte tatsächlich sein. Cesare und seine Frau nervten einen bei jedem Weihnachtsfest mit stundenlangen Diskussionen darüber, wie sinnlos, geradezu verbrecherisch es sei, Kinder in diese Welt zu setzen. Lino – na ja, der hatte bloß Flugzeuge im Kopf. Und seine Mutter hatte neulich von einem Lorenzo erzählt am Telefon, der gestorben war, an irgendetwas entsetzlich Banalem, einem Bienenstich oder so etwas. Ja, wann immer die Sprache auf die italienische Verwandtschaft gekommen war, war von Hochzeiten und Scheidungen
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