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Sonne, Schnee und Tote

Sonne, Schnee und Tote

Titel: Sonne, Schnee und Tote
Autoren: Christian Biesenbach
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Prolog
     
    Er
kniff beide Augen zusammen. Seinen Zustand besserte das nicht. Eingehüllt in
eine Wolke aus brennenden Nadelstichen, Übelkeit und weißem Nebel, der über
seinem inneren Auge lag, war es ein einziger Kampf, bei Bewusstsein zu bleiben.
Nur noch seine Instinkte kämpften gegen die Versuchung, einfach aufzugeben.
    Wasser!
Ich brauche Wasser!
    Hitze
umgab ihn. Sein Mund war trocken, obgleich der Schweiß in Strömen über das
zerschlagene Gesicht lief und in einer Mixtur aus Wasser und Blut beständig von
seinem Kinn tropfte.
    Schmerzen .
    Er
biss sich auf die aufgeplatzte Unterlippe und presste den Atem durch die Nase,
dann zwang er sich, die Augen wieder zu öffnen. Die Glühbirne an der Decke warf
ein schwaches, dämmriges Licht. Er konnte die Wände nicht sehen und wusste doch
genau, wo er war. In der Dunkelheit brummte ein Generator. Vor ihm stand eine
kräftige Gestalt, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Er
konnte das kalte Starren ihrer Fratze kaum ertragen. Zwei grässliche dunkle
Augen und überall schwarzes Haar, das sich gelockt vom Kopf bis zu den Schläfen
zog, um dort in einen krausen Vollbart überzugehen. Dazwischen grinsten ihn
zwei gelbe Zahnreihen an.
    Die
Gestalt beugte sich nach vorn. Ihr Gesicht näherte sich seinem. Zuletzt
berührte die Hakennase beinahe seine Wange. Er hörte, wie sie prüfend die Luft
einsog und an ihm schnüffelte.
    „Ich
hätte nicht erwartet, dass du den Geruch des Todes so früh kennenlernst,
Namir“, brummte der Mann. „Dabei hätte das noch Zeit. Es muss nicht so enden, Güey ,
das weißt du. Sag uns einfach, was wir wissen wollen. Hat es etwas mit deinem
Alter zu tun? Oh, ich wette, das hat es. Also, wie alt bist du jetzt?“
    Namir
hasste diese Stimme. Sie war kalt und rau. Kein Funken Mitleid schwang in ihren
Worten, nur eisiges Kalkül.
    Ich
sage nichts mehr! schrie es hinter seiner Stirn. Er hatte ihnen schon zu viel verraten. Kein Wort
würde mehr über seine Lippen kommen.
    Was
ist nur schiefgelaufen?
    Er
wusste es nicht. Trotzig stierte er vor sich auf den Boden. Seine Beine
zitterten. Blut tropfte auf das mittlerweile dunkel verfärbte, vormals graue
T-Shirt.
    „Junge,
verlass uns noch nicht“, ermahnte ihn der Kerl, als Namirs Beine merklich
nachgaben und die zwei Männer hinter ihm kräftig unter seinen Armen zupackten,
damit er nicht vollends zusammensackte.
    „Wir
müssen uns noch ein bisschen unterhalten, bevor du gehen darfst.“
    Nein!
    Namir
weigerte sich, biss stattdessen noch heftiger auf die Unterlippe. Der Mann
neigte den Kopf und zog eine Grimasse, ob aus Belustigung oder Verwunderung blieb sein Geheimnis .
    „Also
gut“, seufzte er. „Er hat es offenbar immer noch nicht verstanden. Setzt ihn
wieder auf den Stuhl.“
    Namir
riss die Augen auf.
    „Nein,
nein, bitte nicht“, kamen die Wörter nun doch aus seinem Mund. Er hatte das
Gefühl, sie herausgeschrien zu haben, aber es war nicht viel mehr als ein
Flüstern gewesen. Zu mehr war er nicht mehr imstande. Seine Pupillen weiteten
sich. Er wusste, was sie mit ihm tun würden, doch die Einsicht kam zu spät.
Unnachgiebig zerrte man ihn zurück und zwang ihn, sich zu setzen.
    Bebend
schüttelte er den Kopf. Der Dunkelhaarige beugte sich hinunter und hob ein
klobiges Gerät vom Boden auf. Er hatte es an diesem Abend bereits verwendet.
Auf der Unterseite glänzte ein spitzer, metallener Stift.
    Beim
Anblick des immer näher kommenden Unheils begann Namir zu zappeln, aber er
konnte nicht weg. Sie hielten ihn zurück.
    Keine
Chance. Er wird es tun. Keine Chance, egal was ich sage. Er wird es …
    Namir
atmete hektischer, flacher, brachte kaum genug Sauerstoff in seine Lungen.
    Das
Entsetzen schnürte ihm die Luft ab.
    Mit
einem langen Schritt hatte ihn der Mann erreicht und setze ihm die Spitze des
Stifts auf den Oberschenkel.
    Namirs
Herz raste. Er spürte den Druck der Nagelpistole auf seinem Bein. Das Gewicht
nahm weiter zu. Die Spitze bohrte sich durch die zerschlissene Jeans. Namir sah
die Fratze an.
    „Nicht
… Bitte … Ich sag‘ ja alles. … 23 … Ich bin 23 … Bitte … Bitte nicht noch
mehr“, presste er hervor.
    Sein
Peiniger lächelte.
    „Na
also, geht doch“, sagte er und drückte den Abzug.
    Der
lange Nagel schoss durch die oberen Hautschichten tief ins Fleisch.
    Hinter
Namirs Stirn explodierte alles in grellen Rottönen, die sich schnell in
düsterstes Schwarz wandelten. Der Schmerz war unerträglich.
    Sie
werden mich töten ,
dachte er noch, dann
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