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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers
Autoren: Hilke Mueller
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    S eit dem Morgen war die Luft klebrig wie Honig. Den gleißenden Sonnenflecken im Fluss, die der Pfarrer einmal einen schwachen Abglanz des göttlichen Lichts genannt hatte, war heute nicht zu trauen. Am Waschplatz herrschte Unfrieden, ein Hemd war davongeschwommen, zwei Burgmägde waren übereinander hergefallen, hatten sich die Hauben heruntergerissen und die Gesichter zerkratzt. Es musste an der Schwüle liegen, dass die Eifersucht, die schon lange zwischen ihnen schwelte, gerade jetzt wieder aufflammte. Gegen Mittag erhob sich ein böiger Wind, der auf den Hügeln das Laub von den Bäumen fegte und auf dem Weg zur Burgsiedlung Nogent-le-Rotrou kleine Staubwolken wie boshafte Geister tanzen ließ. Die Böen zerrten an den nassen Gewändern, die die Frauen über Büsche und Trockengestelle gehängt hatten.
    » Lass uns heimgehen, Millie. Wir kriegen die Sachen sowieso nicht mehr trocken, ein Gewitter zieht auf. «
    Die siebzehnjährige Tiessa hatte das letzte Wäschestück ausgewrungen und warf es, nass wie es war, in den Korb. Sie setzte sich aufseufzend ins Gras und genoss den Wind, der das erhitzte Gesicht und die bloßen Arme kühlte. Was für eine Plackerei diese Wäsche doch war. Der Rücken tat weh, die Knie waren wund, und man musste sich beständig gegen die lästigen Mücken wehren, die heute in dichten Schwärmen über dem Wasser schwebten. Zudem hatte sie sich in ihrer Ungeschicklichkeit wieder einmal die Fingerknöchel der rechten Hand aufgescheuert. Millie, der Frau ihres Bruders Jordan, passierte so etwas nie, da sie alle Arbeiten langsam und sorgfältig zu erledigen pflegte.
    » Ich bin noch nicht fertig « , vermeldete Millie auch gleich.
    Millie stand noch immer im seichten Uferwasser, das lange Gewand geschürzt, die Haube verrutscht, und der Schweiß tropfte von ihrer Nase ins Wasser hinein. Verbissen knetete sie ein helles Tischtuch auf dem flachen Stein, spülte es immer wieder aus und jammerte, es sei noch fleckig, obgleich sie es doch zu Hause in Waschlauge vorgewaschen habe. Tiessa seufzte – wie sie ihre Schwägerin kannte, würde sie nicht nachgeben, solange noch ein einziger Fleck im Tuch war. Dabei hatten auch andere Frauen schon ihre Wäsche eingepackt und sich auf den Weg zurück in die Siedlung gemacht.
    » Schau, Tiessa « , sagte Ambroise, der neben dem Mädchen im Gras hockte und seit Stunden allerlei selbsterdachte Lieder vor sich hin summte. » Siehst du die Wolken, die hinter dem Burgturm emporwachsen? Das ist das Heer der Dämonen, das gegen unseren Herrn Jesus Christus in die Schlacht zieht. «
    » Du hast schon wieder Raupen im Hirn, Ambroise! «
    Tiessa versuchte, einige kitzelnde braune Haarlocken wieder in den langen Zopf hineinzustecken, und spähte dabei zur Burg hinüber, die sich hoch über der Siedlung auf einem Fels erhob. Tatsächlich stiegen hinter dem mächtigen, viereckigen Donjon, dem Wohnturm, düstere Wolken auf. Wie eine Horde unförmiger Drachenwesen krochen sie in die Höhe und reckten die schwarzen Köpfe. In ihrer Eile, den Himmel zu erobern, bedrängten sie einander und fraßen sich gegenseitig auf.
    » Es schaut wirklich so aus, als wollte sich ein Haufen Ungeheuer auf uns stürzen. «
    » Du brauchst dich nicht zu fürchten, Tiessa « , prahlte Ambroise. » Ich schütze dich vor allen Drachen und Dämonen dort oben am Himmel. «
    » Oh, vielen Dank, edler Ritter « , lachte Tiessa ihn aus. » Vorläufig bin ich zufrieden, wenn du uns gleich den Wäschekorb nach Hause trägst. «
    Ambroise verzog beleidigt das Gesicht, hob die gekrümmten aneinandergelegten Hände an den Mund und blies eine selbsterdachte Melodie, indem er die Finger auf und nieder bewegte. Solch überflüssiges Zeug – wie Tiessas Vater es nannte – beherrschte der Knabe mit großer Meisterschaft. Eine Schar Krähen hatte sich von einem der abgeernteten Felder erhoben und strebte dem Wald zu, als wollten sie vor dem nahenden Unwetter flüchten. Die Windböen wurden nun heftiger und fegten das gelbe Laub vom Boden auf. Tiessa erhob sich rasch, um die Wäschestücke einzusammeln, die noch über den Büschen zum Trocknen lagen.
    » Weißt du, Tiessa « , schwatzte Ambroise, während er mit dem Wäschekorb hinter ihr herlief. » Gott der Herr wartet nur darauf, dass sich all die teuflischen Dämonen dort oben versammelt haben. Dann wird er feurige Blitze auf sie werfen und sie vernichten. «
    » Hör mit deinen Geschichten auf – sie sind unheimlich! «
    Ein dumpfes Donnergrollen
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