Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
die Anrufe entgegennehmen, sind darauf getrimmt, auf
bestimmte Dinge zu achten; manchmal ist es nur eine leichte Schwankung des
Tonfalls, aber manchmal weiß der Anrufer auch irgendein Detail, das wir gar
nicht publik gemacht haben.«
    »Und bis wann sollst du das alles
überprüft haben?«
    »Wenn ich es richtig sehe, bis vor
einer Stunde etwa.«
    Ich schwieg.
    Adah stieß sich ein Stück vom
Schreibtisch ab, streckte die langen Beine aus und seufzte. »Weißt du«, sagte
sie, »ich habe dich nie beneidet. Die vielen Überstunden, die Art, wie die
Partner in diesem Anwaltskollektiv mit dir umgesprungen sind, diese ganzen
miesen Typen, mit denen du dich herumschlagen mußtest — ich hatte immer das
Gefühl, daß das bißchen Gehalt das alles nicht wert ist. Verglichen mit McCone
hast du gar kein übles Leben, habe ich mir immer gesagt. Du hast einen
angesehenen Job, du genießt den Respekt der Öffentlichkeit, du hast ein gutes
Gehalt und alle möglichen Zusatzvergünstigungen. Du bist eine Frau auf dem Weg
nach oben, dachte ich, vielleicht wirst du eines Tages sogar Captain.«
    Ich lehnte mich an eine Ecke ihres
Schreibtischs. »Na ja, du bist immer noch eine Frau auf dem Weg nach oben. Und
ich mache immer noch dieses ganze Zeug, um das du mich nicht beneidest.«
    »Nein, das stimmt nicht. Du hast jetzt
deine eigene Detektei, du bist dein eigener Boß. Und ich... na ja, diese
Plakette ist ziemlich stumpf geworden.«
    Ich hob fragend die Augenbrauen.
    »Nein, so meine ich das nicht. Ich bin
immer noch ein anständiger Cop. Aber der alte Glanz ist eindeutig hin. Status?
Nützt dir einen Scheißdreck. Respekt der Öffentlichkeit? Kannst du vergessen.
Gehalt und Vergünstigungen? Ich wüßte auf Anhieb hundert Jobs, in denen es mir
besserginge. Eine Frau auf dem Weg nach oben — daß ich nicht lache.«
    »Wieso?«
    »Ich bin bald vierzig und immer noch
Inspector; so hatte ich mir das nicht gedacht. Und seit Bart Wallace zur Sitte
gegangen ist, habe ich keinen neuen Partner mehr gekriegt. Wenn jemand krank
ist, darf Inspector Joslyn für ein Weilchen einspringen. Wenn jemand neu in die
Abteilung kommt, spannen sie ihn eine Zeitlang mit mir zusammen. Aber dann
kommt der kranke Kollege zurück oder der Neue hat das kleine Einmaleins gelernt
und wird jemand anderem zugewiesen, und ich darf wieder allein weitermachen.«
    »Und deine Abordnung in diese
Sonderkommission? Das war doch was.«
    »Ha!« Ihre Hand fegte über den
Schreibtisch, daß die Papierstapel flatterten. »Alles, was ich hier tun darf,
ist, mich durch Papierberge zu wühlen, ich bin hier nichts als eine
gottverdammte Sekretärin für einen Haufen FBI-Leute, die sich zu gut dafür
sind, mir zu sagen, was in ihren Köpfen vorgeht. Nein, das Department hat mich
in diese Sonderkommission gesteckt, weil sie mich Vorjahren mal als Alibi-Frau
auf den Präsentierteller gesetzt haben und jetzt nicht wissen, was sie mit mir
machen sollen. Verstehst du — vor lauter Eile, ihr Image aufzupolieren, haben
sie vergessen, sich meine Biographie genau anzugucken; sonst hätten sie es sich
zweimal überlegt, ein Mädel aus Red Hill irgendwohin zu hieven.« Red Hill war
Adahs Spitzname für Bernal Heights, weil dieser Distrikt, wie sie erklärte,
einst eine Brutstätte für Kommunisten gewesen war.
    »Du willst doch nicht sagen, daß
Barbara und Rupert...«
    »Ich sage nicht, daß meine Eltern
meiner Karriere geschadet haben, aber genützt haben sie ihr sicher auch nicht.
Du kennst sie doch. Mutter geht immer noch jeden Mittwochabend zu ihrer
marxistischen Schulungsgruppe, und du findest sie bei jeder Chaoten-Demo in
vorderster Front. Und er geht immer noch zu jeder öffentlichen
Stadtratssitzung, um kundzutun, was ihm an der Lokalpolitik nicht paßt —
nämlich alles und alle. Ich liebe sie und möchte sie nicht ändern, aber ein
Pluspunkt sind sie bestimmt nicht.«
    Ich bezweifelte, daß die Lage so
finster war, wie sie sie darstellte, aber strahlend war sie sicher auch nicht.
»Deshalb hast du mich also gebeten, dir bei diesen Ermittlungen zu helfen«,
sagte ich. »Du willst den Fall knacken und es ihnen allen zeigen.«
    »Ich will ihnen den Bomber servieren,
deckt mich‹ sagen, mich umdrehen und gehen. Und wenn du mir dabei hilfst, werde
ich dich, wie versprochen, für die Belohnung vorschlagen.«
    Ich schwieg wieder. Zwei Wochen
verstieß Adah jetzt schon gegen sämtliche Vorschriften. Sie hatte mir Kopien
von Berichten und Akten gegeben, mich über den Fortgang der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher