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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort
Autoren: Marcia Muller
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keine Toten oder Verletzten. Im Dezember zweiundneunzig saß
die gesamte panamaische Delegation bei einem Weihnachtsbankett in einem
Restaurant in Midtown. Ein Bote mit einem Paket für die Panamaer hatte es
offenbar sehr eilig, sich wieder davonzumachen; der Geschäftsführer des
Restaurants schöpfte Verdacht und rief das Bombenkommando, aber der Mann entkam
und wurde nie identifiziert. Natürlich ging auch nach jedem dieser Anschläge
das übliche Schreiben ein.«
    »Und dann hat er ein paar Jahre
pausiert.«
    »Bis letzten Dezember.«
    Das nächste Dia zeigte die
zerschmetterte Fensterfront der Lybischen Handelsvertretung in der Howard
Street hier in San Francisco.
    »Ein Toter«, sagte ich, »wieder der
Angestellte, der das Päckchen öffnete. Es war auf der Hauptpost aufgegeben, wie
auch das nachfolgende Schreiben.«
    Ein neues Dia: ein Büro mit wild
durcheinandergewirbeltem Mobiliar. In der rückwärtigen Wand klaffte ein großes
Loch, und auf dem Boden waren mit Kreide die Umrisse eines menschlichen Körpers
markiert.
    »Belgisches Konsulat«, sagte Renshaw.
»Letzten Monat. Bombe und Schreiben auf dem Postamt Lombard Street aufgegeben.
Ein Toter.«
    Er ließ das Dia auf der Leinwand
stehen, und wir betrachteten schweigend die Verwüstung. Was in ihm vorging,
ahnte ich nicht, aber mich erfüllten eher Emotionen als Überlegungen.
    Irgendwo in dieser Stadt gab es eine
Person, die methodisch monströse Verbrechen plante und durchführte. Eine
Person, die immer wieder ungeschoren davongekommen war. Diese Person konnte
jedweder Nationalität sein, aus jedwedem Gesellschaftsbereich stammen. Konnte
so unauffällig und harmlos aussehen wie die Verpackungen der Bomben. Konnte
jeden Moment wieder zuschlagen und Menschen töten oder verstümmeln. Bei dem
Gedanken, daß ein solches Ungeheuer auf denselben Straßen herumlief wie die
Menschen, die mir wichtig waren, fröstelte mich bis ins Mark.
    Renshaw erriet nur einen Teil meiner
Gründe, mich mit dem Diplobomber-Fall zu beschäftigen. Ich war mir nicht mal
sicher, ob Adah wirklich wußte, was mich dazu trieb. Ja, eine Million Dollar
war ein hübsches Sümmchen, und ich wäre blöd gewesen, wenn ich sie nicht hätte
kassieren wollen. Aber das war nicht alles.
    Letztes Jahr im August hatte ein
gedungener Killer ein Haus in die Luft gejagt, das auf ebenjenem Grundstück an
der Küste bei Mendocino gestanden hatte, das jetzt Hy und mir gehörte. Der
Anschlag hatte mir gegolten, aber jemand anders war an meiner Stelle
umgekommen, und weitere Leben waren aus der Bahn katapultiert worden. Die
Monate waren vergangen, die Wunden verheilt, die Trümmer in der Nähe des
Kliffrands beseitigt; das Plätzchen wirkte wieder hübsch und heiter. Aber
nachts spürte ich noch oft das Nachbeben jener Gewaltexplosion unter der
heiteren Oberfläche, hörte ich das Echo von Schmerz und Trauer in der Brandung
und dem Seewind. Die Schockwirkung dieses Bombenanschlags würde sich nie völlig
legen.
    An der Tragödie in Mendocino County
konnte ich nichts mehr ändern, aber ich konnte verdammt noch mal etwas tun, um
weitere Bombenanschläge in San Francisco zu verhindern. Schließlich war ich,
wie Adah mir im Zuge ihres Hilfeersuchens erklärt hatte, »eine erstklassige
Ermittlerin, wenn auch manchmal eine gnadenlose Nervensäge«.
    Ich wandte mich Renshaw zu. »Okay,
Gage, das ist allgemein bekannt. Und jetzt zeigen Sie mir etwas Neues.«
    Er lächelte säuerlich und klickte ein
Dia weiter.
    Ein imposantes Haus: cremeweiße
Stuckfassade, Mansardendach und ausladendes Gesims. Die Fensterbögen waren mit
üppigen Ornamenten eingefaßt, und kunstvolle Säulen flankierten das schwere
Eingangsportal. Rechts und links standen Wacholderbäume wie Schildwachen. Ich
hatte das Haus schon gesehen, konnte es aber nicht einordnen.
    »Das Konsulat von Azad, Jackson Street,
Nähe Octavia«, sagte Renshaw.
    »Azad — ist das nicht eins von diesen
Öl-Emiraten?«
    »Genau. Reich, progressiv, politisch
stabil. Die Azadis unterhalten das Konsulat seit den ausgehenden sechziger
Jahren. Sie machen dicke Geschäfte mit den Ölgesellschaften hier an der
Westküste.«
    »Aber sie waren doch nicht...«
    »Ziel eines Anschlags? Nein.«
    Das nächste Dia zeigte wieder ein Blatt
Papier, diesmal mit der Aufreiblettern-Zeile: kleine
vorwarnung. Darunter war mit Klebefilm ein Papierstreifen befestigt,
offenbar eine ausgeschnittene Zeitungsschlagzeile: bombenanschlag auf brasilianische botschaft.
    »Das haben die Azadis
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