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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort
Autoren: Marcia Muller
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ich hoffte, Renshaw würde den Wink verstehen.
    »Gab’s irgendwas Interessantes dort
drinnen?« fragte er.
    »Nur, daß die Sondersendung gestern
abend im Fernsehen wie üblich ein paar Verrückte mobilisiert hat.« Ich pellte
seine Hand von den Liftknöpfen und drückte auf Abwärts. Der einzige Fahrstuhl
war grotesk langsam; ich lehnte mich an die Wand und verschränkte die Arme,
bereit, Renshaws Neugier zu trotzen, bis der Lift kam.
    Er sah mich durch seine dunkelrandige
Brille an, ein belustigtes Blitzen in den kühlen grauen Augen. Das
Schummerlicht über uns malte Schatten auf sein knochiges Gesicht und verlieh
ihm das Aussehen eines Abe Lincoln in den besten Jahren. »Sie würden es mir
natürlich sowieso nicht sagen — ich meine, wenn Sie was Interessantes gehört
hätten.«
    »Natürlich nicht. Und wenn ich Sie
fragen würde, warum Sie hier sind, würden Sie es mir auch nicht sagen.«
    »Ich denke, unsere Beweggründe sind
offenkundig und obendrein ziemlich ähnlich. Jeder Ermittler in dieser Stadt
geifert doch hinter der Million Dollar her, die das FBI für Hinweise auf den
Bomber ausgesetzt hat.«
    Wenn je etwas einen falschen Klang
hatte, dann das. Gages Firma, Renshaw & Kessell International, war auf
Unternehmensschutz und Terrorismusabwehr spezialisiert, und eine Million Dollar
war gar nichts im Vergleich zu den Honoraren, die sie kassierte. Seine bloße
Anwesenheit in San Francisco war schon verdächtig, da er normalerweise vom
RKI-Hauptsitz in La Jolla aus operierte.
    Ich sagte jedoch nichts, verstärkte nur
meine Schutzwehr um den einen oder anderen Zentimeter und wartete ab, wohin diese
Unterhaltung steuerte.
    Renshaw trat neben mich und lehnte sich
ebenfalls an die Wand. Seine weiße Haartolle — verblüffend im Kontrast zu
seiner übrigen zottigen dunklen Mähne — fiel ihm in die Stirn; er warf sie mit
einer geübten Kopfbewegung zurück. »Eine Million klingt doch ganz nett,
Sharon.«
    »Mm-hmm.«
    »Aber ein einzelner hat wenig Chancen.«
    »Warum?«
    »Meiner Erfahrung nach sind solche
Ermittlungen ohne Teamwork nicht denkbar.«
    »Soll heißen?«
    »Soll heißen, daß Sie wohl besser
fahren, wenn Sie sich mit einer Organisation zusammentun, die über ganz andere
Mittel verfügt.«
    »Einer Organisation wie RKI.«
    »Wir haben Möglichkeiten, von denen Sie
nur träumen können.«
    »Warum in aller Welt versuchen Sie
dann, mich anzuwerben?«
    »Tja, Sie haben da diese Kontakte zur
Sonderkommission. Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Inspector Joslyn
Ihnen nicht ein paar Informationen zugespielt hat.«
    Das hatte sie in der Tat, aber Renshaw
brauchte es nicht zu wissen. Ich stieß mich von der Wand ab und drückte wieder
auf den Knopf.
    »Und außerdem«, setzte Renshaw hinzu,
»haben wir beide doch schon prima zusammengearbeitet.«
    Ich starrte ihn verdutzt an.
»Zusammengearbeitet? Sie haben mich benutzt, um an Ripinsky heranzukommen —
weil Sie ihn umbringen wollten!«
    »Und Sie haben unser Geld benutzt, um
ihn zu retten — wir sind quitt. Aber wie dem auch sei«, — er machte eine
wegwerfende Handbewegung — »das ist vergangen und vergessen. Jetzt ist Ripinsky
Teilhaber unserer Firma. Er, Kessell und ich haben uns geeinigt. Und Sie und
Ripinsky sind... nun ja, was auch immer. Also sind wir praktisch eine Familie.«
    »Sie und ich, wir sind keine Familie.
Wir werden nie eine sein. Und das Ermittlungsbüro McCone läßt sich auf
keinerlei Zusammenarbeit mit Firmen ein, deren Praktiken wir für... mit unseren
unvereinbar halten.«
    Renshaw versuchte, auf meinen kaum
verhohlenen Ausfall gegen das Berufsethos von RKI mit gekränkter Miene zu
reagieren, aber die Mühe war vergeblich. Ich hatte schon längst gelernt, daß er
absolut unkränkbar war. Er war sogar noch stolz auf seine dubiosen
Transaktionen und seine kleinen Abkürzungen am Gesetz vorbei. »Okay«, sagte er
nach einer kurzen Pause, »ich mache Ihnen einen Vorschlag: Kommen Sie mit in
unser Büro, und sehen Sie sich an, was wir über diese Bombenanschläge zusammengetragen
haben. Wenn Sie darauf anspringen, teilen Sie uns mit, was Sie wissen, und wir
arbeiten zusammen. Wenn es Sie immer noch nicht interessiert, ist das Thema
abgehakt.«
    Der Aufzug kam endlich ächzend zum
Stillstand, und die Tür öffnete sich mit einem asthmatischen Keuchen. Ich trat
hinein, und Renshaw folgte mir.
    »Warum so großzügig, Gage?«
    »Ach, sagen wir einfach, um der alten
Zeiten willen.«
    »Kommen Sie mir nicht damit. Sie
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