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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord
Autoren: Celeste Bradley
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verbrennen würde.
    Ungehindert musterte sie den Schläfer. Er hatte sich das schwarze Haar lange nicht schneiden lassen, sodass es ihm fast bis auf die Schultern fiel. Sie mochte es so und verstand, was er damit zum Ausdruck bringen wollte: dass er sich nicht um gesellschaftliche Gepflogenheiten scherte. Am liebsten hätte sie ihm einige Strähnen aus der Stirn gestrichen. Und sein Kinn berührt, auf dem sich dunkle Bartschatten abzeichneten. Bestimmt würde es sich rau anfühlen – wie Sandpapier, wenn man mit den Fingern darüberstrich.
    Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und trat näher ans Bett. Sie hatte sein Gesicht schon so lange studiert, dass sie ihn im Dunkeln zeichnen könnte – und sich seit Jahren danach gesehnt, mehr von ihm zu sehen. Jetzt war ihre Chance gekommen.
    Erneut betrachtete sie seinen eindrucksvollen Körper, der quer auf der Matratze lag. Er hatte breite Schultern und vergleichsweise schmale Hüften, was ihm eine katzenhafte Schlankheit verlieh, die man in bekleidetem Zustand indes nicht wirklich bemerkte. Auch nicht, wie muskulös er war. Schwarzes Haar kringelte sich auf seiner Brust und verjüngte sich nach unten zu einer dunklen Linie, der sie mit ihrem Blick folgte. Bis zum Bauchnabel, wo die Decke begann. Ihre Finger zuckten, und sie spürte die Versuchung, diese ein Stück nach unten zu ziehen.
    Sie stieß einen leisen Seufzer aus.
    John Redgrave war ein anderer geworden. Das schon, doch seiner Attraktivität tat das keinen Abbruch. Zumindest in ihren Augen nicht. Seines Äußeren, das er früher selbstbewusst wie einen schönen Mantel zur Schau gestellt hatte, schien er sich kaum mehr bewusst zu sein. Unter dem Eindruck von Grausamkeit, Zerstörung und Tod, die er im Krieg erlebte und die sie sich in ihrer behüteten Welt nicht einmal vorstellen konnte, hatte sein Blick sich nach innen gekehrt.
    Aber er hatte auch äußere Narben davongetragen. Sie sah sie Unheil verkündend auf seiner im Mondlicht silbern schimmernden Haut. Ein Sternenmuster an einer Schulter, wo ihn eine Kugel getroffen haben musste. Ein diagonaler Streifen über den Rippen – Spuren eines Bajonetts, das seinem Herzen gefährlich nahe gekommen war. Ein anderes hatte ihn offenbar hoch zu Ross sitzend am Oberschenkel getroffen – sein Gegner musste den Hieb wohl von unten geführt haben.
    Ein neuer Jack lag vor ihr, den selbst im Schlaf noch eine Ahnung von Tod und Gefahr umgab. Vom Krieg gezwungen, ebenso zu töten und zu verwunden wie tagtäglich aufs Neue Leben und Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
    Trotzdem fand sie ihn einfach schön – es gab kein besseres Wort dafür, wie er dalag, unbekleidet und nahezu unverhüllt in seiner körperlichen Pracht. Kraftstrotzend und perfekt in seiner Männlichkeit, während sie …
    Ihre Hand, die sie bereits nach ihm ausgestreckt hatte, zuckte zurück. Ihre romantischen Fantasien kamen ihr mit einem Mal lächerlich vor. Wie konnte ein Mann, der durch die Hölle gegangen war, an einem unerfahrenen jungen Ding wie ihr Interesse zeigen? An einem Mädchen, das über das Leben nicht mehr wusste, als ihr Bücher vermitteln konnten. Und das einzige Leid, das sie ertragen musste, waren ihre ehrgeizigen, nach gesellschaftlichem Aufstieg strebenden Eltern und ihre missgünstige Schwester.
    Plötzlich kam sie sich vor wie ein Kind, das sich einen Tiger als Haustier wünscht.
    Sie sollte nicht hier sein, nicht allein in einem Zimmer mit diesem schönen, nackten und so unverkennbar potenten Mann. Vielmehr sollte sie auf der Stelle kehrtmachen und ihre törichten Backfischträumereien für sich behalten. Ein für alle Mal. Ja, das wäre das Richtige. Doch der Anblick seines Körpers ließ sie nicht los, sondern weckte Begehrlichkeiten. Wobei Faszination und Angst eine seltsame Verbindung eingingen und um die Vorherrschaft rangen. Sollte sie ihn berühren … oder fliehen?
    Ohne dass sie bewusst eine Entscheidung getroffen hätte, gewannen ihre Bedenken die Oberhand. Oder die Vernunft. Mit nur wenigen hastigen Schritten war sie bei der Tür, um zurückzukehren in die Sicherheit ihres Jungmädchenzimmers – gleichermaßen beschämt über ihre unangemessenen Träume wie wütend über ihre Mutlosigkeit. In ihren Augen brannten Tränen wegen des feigen Rückzugs, den sie selbst als Niederlage empfand.
    Und dann hörte sie hinter sich plötzlich ein tiefes Stöhnen und undeutlich gestammelte Worte. Sie hielt inne und drehte sich um.
    Der Mann im Mondlicht hatte sich
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