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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord
Autoren: Celeste Bradley
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Ich denke, Sie sollten anfangen. «
    Er drückte sie aufmunternd, als er von Neuem zu erzählen begann. » Es war einmal ein Mann, der glaubte, alles verloren zu haben … «
    Alles begann in einem Schloss in einem fernen Land … Na ja, es war bloß ein Herrenhaus in Surrey. Eine junge Frau zog sich ihre Haube übers Haar und glättete mit fahrigen Bewegungen ihren Hausmantel, während sie auf Zehenspitzen den dunklen Flur zum Gästeflügel hinunterschlich.
    Um sich zu orientieren, brauchte sie nicht einmal eine Kerze, denn sie kannte jeden Winkel dieses Hauses und fand sich selbst im Dunkeln zurecht. Zudem schien das Licht des Mondes durch ein Fenster am Ende des Flures. Das Zimmermädchen hatte vergessen, die Vorhänge bei Sonnenuntergang vorzuziehen. Zu viel anderes gab es für sie zu tun, denn das Haus war voller Gäste. Die mehrtägige Einladung der Gastgeber hatte für regen Zulauf gesorgt.
    Für die junge Lady zählte jedoch nur ein einziger Gast. Lord John Redgrave, der Erbe des Marquis of Strickland – ein gut aussehender junger Mann, den jedoch ein Hauch von Düsternis umgab. Er machte sich Vorwürfe, den Tod seines Cousins Blakely, Sohn des Marquis, auf dem Schlachtfeld nicht verhindert zu haben.
    Sie blieb vor der Tür zum Zimmer von John Redgrave stehen und atmete tief ein. » Jack « , flüsterte sie vor sich hin, um ihre Rede ein letztes Mal zu proben. » Ich weiß, dass Sie morgen fortsegeln, um sich um die Plantagen Ihres Onkels zu kümmern, aber … ich liebe Sie. «
    Lächerlich. Die Worte klangen selbst für ihre eigenen Ohren kindisch und erbärmlich. Doch wie sollte sie ihm sonst ihre Gefühle offenbaren, bevor er weit wegfuhr – so weit, dass sie ihn vielleicht niemals mehr wiedersah?
    Ihre zitternde Hand berührte das kalte Eisen des Knaufs. Mit einem kaum hörbaren Klicken öffnete sich die Tür, und sie war in seinem Zimmer. Auch hier schien der Mond durch das große Fenster, und in seinem magischen blausilbernen Schein sah sie Jack, der scheinbar in einem Meer von Licht ausgestreckt und nur halb bedeckt von einem zerwühlten schneeweißen Leinentuch auf dem breiten Bett lag.
    Nackt. Ihr Mund wurde trocken, und ihr Herz begann warnend zu hämmern.
    Er lag auf dem Rücken. Als sie sich dem Bett näherte, konnte sie jede Mulde und jede Erhebung seines breiten, muskulösen Brustkorbs erkennen. Ein Arm, seitlich ausgestreckt, schien nach ihr greifen zu wollen. Der andere ruhte entspannt auf seinem flachen Bauch.
    Was sich unterhalb des Bauchnabels befand, blieb ihren Blicken weitgehend entzogen. Abgesehen von einem Oberschenkel und Knie verhüllte das Laken seinen Unterkörper, weshalb sie ihren Blick wieder nach oben wandern ließ. Hinauf zu seinem markanten Gesicht. Sie liebte die kantigen Flächen, die bereits da gewesen waren, bevor er in den Krieg zog. Doch seitdem hatten die Bilder der Schlacht, die er nicht aus dem Kopf bekam, zusätzliche Spuren hinterlassen und alle unbeschwerte Heiterkeit aus seinen Zügen vertrieben.
    Sein Kinn und seine Wangenknochen wirkten härter und schärfer. Sein Mund mit der sinnlichen Unterlippe weigerte sich zu lächeln – nicht ein einziges Mal seit seiner Ankunft hatten sich seine Lippen verzogen. Und auf seiner Stirn und in den Mundwinkeln sah sie Furchen, die ebenfalls von seinen albtraumartigen Erlebnissen zeugten. Als fröhlicher, sorgloser Bursche war er in den Krieg gezogen und kam zurück als düsterer, gebrochener Mann, den Schuldgefühle quälten.
    Sie allerdings liebte ihn dafür umso mehr. Es war leicht gewesen, ihn vorher zu umschwärmen. Jedes Mädchen hatte das getan, doch nun war es vorbei mit der allgemeinen Bewunderung – jetzt, da es den unterhaltsamen Charmeur nicht mehr gab.
    Er redete kaum, und wenn klangen seine Worte bitter und zynisch, als sei alle Lebensfreude aus ihm gewichen. Und das entsprach offenbar den Tatsachen. John Redgrave konnte mit den banalen und trivialen Konversationen der feinen Gesellschaft nichts mehr anfangen. Sein Blick schweifte in die Ferne, und seine dunkelbraunen Augen offenbarten seelische Abgründe, die zarte Gemüter erschreckten. Folglich mieden die meisten Gäste, die von den Schrecken des fernen Krieges gegen Napoleon nichts oder lediglich vom Hörensagen wussten, den ungeselligen und unheimlichen jungen Lord wie ein nicht wirklich gezähmtes wildes Tier.
    Sie hingegen fühlte sich von der düsteren Aura unwiderstehlich angezogen – beinahe wie eine Motte von einer hellen Flamme, in der sie
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