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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
Autoren: Mark Hodder
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Der Mann aus Messing

    Eine stattliche Belohnung erhält jede Person, die Auskünfte bereitstellen kann, die zur Klärung des Verbleibs von Roger Charles Tichborne beitragen. Er stach am 20. April 1854 mit dem Schiff La Bella von Rio de Janeiro aus in See. Seitdem wurde nichts mehr von ihm gehört, doch in England traf eine Nachricht ein, die zu berichten wusste, dass ein Teil der Besatzung und der Passagiere eines Schiffes desselben Namens von einem anderen Schiff gerettet wurde, das, so wird vermutet, unterwegs nach Melbourne in Australien war. Es ist nicht bekannt, ob sich besagter Roger Charles Tichborne unter den Ertrunkenen oder unter den Geborgenen befand. Er wäre heute etwa zweiunddreißig Jahre alt, ist von schmächtiger Gestalt und groß gewachsen und hat sehr hellbraunes Haar und blaue Augen. Mr Tichborne ist der Sohn des mittlerweile verstorbenen Sir James Tichborne und Erbe von dessen gesamtem Besitz.
    ANZEIGE IN ALLEN ZEITUNGEN WELTWEIT , 1861
    S ir Richard Francis Burton war tot.
    Er lag in der Eingangshalle der Royal Geographical Society ausgestreckt auf dem Rücken am Fuße der prachtvollen Treppe. Über seiner Brust kauerte ein zierlicher, rothaariger Dichter.
    Algernon Charles Swinburne, über dessen Wangen Tränen liefen und dem der Alkohol die Sinne vernebelte, verfasste im Geiste rasch eine Elegie. Schließlich war es am besten, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war.
    Er hob den Kopf, sodass sein Haar im Schein des Gaslichts feurig schimmerte, und verkündete mit seiner hohen Stimme:

    »Wissest du nicht, wen England, wen die Welt betrauert?
    Denn die Welt, deren wildeste Wege er betrat,
    Deren Gefahren er trotzte und der’s nie hat bedauert,
    Sie kennt ihn fortan mehr als Gott denn als Mann.«
    Er hickste. Unter seiner Hand fühlte er in Burtons Tasche eine flachmannförmige Ausbuchtung. Verstohlen begann er, sich durch die Stoffschichten des feinen Anzugs vorzuarbeiten.
    »Unser Halbgott der Waghalsigkeit, mit scharfem Blick«, fuhr er schniefend fort, »besah er die tiefsten …«
    »Abscheulich!«, wetterte da eine Stimme von oben.
    Swinburne ließ seinen tränenverhangenen Blick die Treppe hinaufgleiten.
    Sir Roderick Murchison stand gebieterisch am Absatz.
    »Behalte deine Hände bei dir, Algy«, ertönte in diesem Moment ein Flüstern.
    Swinburne schaute nach unten.
    Burtons Augen hatten sich geöffnet.
    »Ein abscheuliches Verhalten!«, donnerte Murchison erneut.
    Der Präsident der Royal Geographical Society stieg würdevoll und erhaben mit kerzengeradem Rücken die Stufen hinab. Sein kahler Kopf schimmerte. Er passierte die Porträts großer Entdecker: James Cook, Sir Walter Raleigh, John Franklin, Sir Francis Drake – dessen Gemälde schief hing, da es von Burtons vorbeisausendem Fuß getroffen worden war –, William Hovell, Mungo Park und andere.
    »Ein solches Verhalten dulde ich nicht, Burton! Dies ist eine ehrbare wissenschaftliche Einrichtung, keine verruchte Kneipe im East End!«
    Swinburne taumelte zurück, als sich sein Freund, der ehemalige Soldat, Entdecker und Spion – der Linguist, Gelehrte, Schriftsteller, Fechter, Geograf und Agent des Königs – auf die Beine rappelte, schwankend dastand und Murchison, seinen einstigen Sponsor, mit finsterer Miene ansah.
    »Du lebst?«, murmelte der Dichter und musterte seinen Kameraden verwirrt.
    Burton maß eins neunundsiebzig, wirkte jedoch durch die Breite seiner Schultern, den Umfang seiner Brust und seinen schlanken muskulösen Körperbau größer. Obwohl er gerade so betrunken war, strahlte er Macht aus. Seine Augen waren schwarz und hypnotisch, seine Wangenknochen markant. Sein Mund bildete eine angriffslustige Linie. Er hatte kurzes schwarzes Haar, das er zurückgekämmt trug, und einen dichten Schnurr- und Kinnbart, gegabelt und wild. Eine tiefe Narbe verunstaltete seine linke Wange und zog die untere Hälfte des Augenlids leicht nach unten. Auf der rechten Wange befand sich ein kleineres Gegenstück der Verunstaltung. Beide zusammen erinnerten an den Somali-Speer, der Burton bei einer katastrophalen Expedition nach Berbera in das Gesicht gestoßen worden war.
    »Sie sind ein verfluchter Trunkenbold!«, beschuldigte ihn Murchison, als er die unterste Stufe erreichte. Dann wurden die Züge des Mannes plötzlich sanfter. »Sind Sie verletzt?«
    Burtons Erwiderung ertönte knurrend. »Es bedarf mehr als eines Sturzes über eine verfluchte Treppe, um mich zu brechen!«
    Swinburne mühte sich vom Boden auf. Er war
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