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0558 - Aus dem Jenseits entlassen

0558 - Aus dem Jenseits entlassen

Titel: 0558 - Aus dem Jenseits entlassen
Autoren: Jason Dark
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Sie befand sich in einem Raum, in dem die Schwerkraft weniger stark war als auf der Erde. Ähnlich mußte es Raumfahrern ergehen, wenn sie sich durch ihre Kapsel bewegten. Jeder Schritt kam ihr ungemein weit vor, langsam und schnell zugleich. Fliegend und dennoch gehend.
    Gerty hatte Erfolg!
    Der Nebel teilte sich. Irgendwo mußten Kräfte ansetzen, die ihn zu beiden Seiten wegschoben. So entstand ein geheimnisvoller Tunnel, ein schmaler Gang, flankiert von farbigen Nebelbänken, die sich nicht mehr fortbewegten und nur eine zitternde Wand bildeten.
    Plötzlich spürte sie, daß ihr Schädel unter Druck stand. Nur durch das Sprengen des Schädels schienen sich die Kräfte freie Bahn verschaffen zu können.
    Gerty mußte weiter. Ich kann nicht länger bleiben, hämmerte sie sich ein. Der verdammte Tunnel konnte nicht ins Unendliche führen. Und so rannte sie durch den Gang, das Gesicht verzerrt. Die braunen Haare hingen wie eine nasse Matte auf ihrem Kopf und klatschten mit den Spitzen auch gegen die Ohren.
    Wie lang war er noch?
    Die junge Frau hörte sich schreien. Sie warf den Kopf nach rechts und links, als könnte sie durch diese Bewegungen den Druck aus ihrem Schädel schleudern.
    Das aber war ihr nicht möglich, der Druck blieb, allerdings verflachte ihre Konzentration, denn sie sah das Ende des Tunnels.
    Genau dort schimmerte das Licht!
    Hoffnung?
    Sie lief schneller, jedenfalls glaubte sie daran. Das Licht stand nicht still, es bewegte sich und formte dabei ständig neue Figuren. Je näher sie kam, um so deutlicher kristallisierte sich das Geschehen hervor, nahm an Schärfe zu, so daß sie erkannte, um was es sich handelte.
    Es war ein Bild!
    Ein Gemälde, eine bemalte Wand, ziemlich groß. Sie ruderte trotzdem weiter, weil ihr das Bild als Ziel vorkam. Wieder verging Zeit.
    Wieviel, das konnte sie nicht sagen. Ob eine Minute oder eine Stunde, alles war irgendwie zeitlos geworden. Nur konnte sie die Zeit nutzen und sich das Motiv genauer anschauen.
    Es zeigte eine grauenvolle Szene: Zwei Schimmel zogen eine schwarze Leichenkutsche. Vier Laternen verstreuten ein blasses Licht, das sich als Schleier über den glänzenden Aufbau der Kutsche gelegt hatte.
    Auf dem Kutschbock saß ein Skelett. Es war in Schwarz gekleidet und trug auf dem haarlosen Schädel einen ebenfalls schwarzen Zylinder. Zwischen ihm und der Kleidung leuchtete bleich der Totenschädel. Das war nicht alles. Die Kutsche führte auf der Ladefläche etwas mit sich, das genau paßte.
    In einem gläsernen Sarg sah Gerty eine Gestalt auf dem Rücken liegen, von der sie nicht sagen konnte, ob es sich bei ihr um einen Mann oder um eine Frau handelte.
    Sie wollte sich auch nicht darauf konzentrieren, denn das Bild zeigte noch mehr.
    Eine Trauergemeinde oder Menschenmenge, die sich hinter dem Gefährt anschloß. Erst beim Näherkommen war für die Frau zu erkennen, um welche Art von Trauergästen es sich handelte.
    Sie glichen dem Kutscher auf dem Bock, denn auch sie waren schwarz gekleidete Skelette. Nur trugen sie keine Hüte oder Zylinder. Dafür hielten sie brennende Kerzen in der Hand, deren Licht ihnen den Weg wies.
    Wer immer dieses Bild gemalt hatte, es war ein Meister seines Fachs gewesen, ein Detailkünstler und ein Könner, der mit Farben hatte umgehen können.
    Das Grundmotiv war düster, es mußte einfach düster sein, denn zu diesem Motiv paßte einfach nicht Helles. Es war auch von der Perspektive her gelungen, denn die Schlange der Skelette, die hinter der Kutsche einen Halbbogen geschlagen hatte, verkleinerte sich zum Ende hin, so daß sich auch der Schein der Kerzen allmählich verlor.
    Das Bild zog sie magisch an. Gerty konnte es kaum erwarten, das Ende des Tunnels zu erreichen. Sie mußte dorthin, weil es etwas gab, das sie von diesem fürchterlichen Run und dem Druck im Schädel erlösen konnte.
    Nach wie vor flankierte sie den seichten, farbigen Nebel und sorgte dafür, daß Gerty Camrum keine andere Richtung einschlagen konnte. Sie mußte einfach auf die Leichenkutsche zulaufen.
    Dann war sie da.
    Die Frau erschrak selbst darüber, daß sie so plötzlich vor dem Bild stand. Sie hörte sich keuchen, schloß die Augen, spürte die Erschöpfung und ihr Herzjagen.
    Sie hätte gern eine Erklärung für dieses Phänomen gehabt, doch sie war nicht in der Lage, sich diese selbst zu geben. Allerdings gestand sie sich ein, daß sie das Bild auf eine besondere Art und Weise faszinierte. Von ihm strahlte etwas aus, das sie mit dem Begriff
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