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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord
Autoren: Celeste Bradley
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blauen Augen voller Verachtung auf ihn gerichtet, während zwei stämmige Lakaien ihn an den Armen packten und den heftig um sich Schlagenden unsanft nach draußen beförderten. Später würde er sich an die Szene kaum noch erinnern, wusste lediglich, dass er sich mit aufgeschürften Handflächen und auf allen vieren im Kies der Auffahrt wiederfand. Schemenhaft nahm er an den Fenstern der Vorderfront Gesichter wahr: Gäste und Personal, die entrüstet auf ihn herunterblickten, und ein vertrautes Gesicht mit entsetzt aufgerissenen blauen Augen, aus denen Tränen flossen.
    Jack verstand endgültig die Welt nicht mehr.
    Zurück in London geriet er vollends aus dem Gleis. Er soff und prügelte sich, prügelte sich und soff. Bis zu jener Nacht, als er sich hoch oben auf dem Dach des Brown’s Club wiederfand, in der Hand eine Whiskyflasche, die Beine über dem Nichts baumelnd und darüber nachdenkend, wie lange es wohl dauerte, bis er in der Ewigkeit ankam.
    Seine Freunde schafften es, den Sprung zu verhindern und ihn ein wenig zur Vernunft zu bringen. Ihn in London zu halten, das vermochten sie jedoch nicht. Jack entschloss sich, nach Übersee aufzubrechen, um sich dort um die Plantagen des Marquis und die Handelsschiffe zu kümmern – in Wirklichkeit jedoch, um die Frau zu vergessen, von der er sich Rettung erhofft hatte.

Erstes Kapitel
    England, fast vier Jahre später …
    Jack schritt langsam über die Gangway der Honor’s Thunder, einen einfachen Koffer in der Hand. Die Matrosen blickten hoch, als er an ihnen vorbeiging, einige nickten respektvoll, doch niemand wechselte ein Wort mit ihm. Dafür bestand auch kein Grund, denn er war weder der richtige Kapitän noch der Eigner des Schiffes. Ersteres war ein erfahrener Seemann mit entsprechendem Patent, Letzteres sein Onkel und er bloß der Erbe, der sich um die Geschäfte kümmerte und den die Seeleute mit » Mylord « anredeten.
    Als er nach Jahren wieder englischen Boden betrat, schien dieser unter seinen Füßen zu schwanken.
    Ich habe Seemannsbeine.
    Ach, könnte er doch einfach umdrehen und zurück aufs Schiff marschieren. Am liebsten wäre er in Übersee geblieben oder weiter über die Weltmeere gesegelt, um dort Geschäfte zu treiben. Lediglich ein kryptischer Brief seines alten Freundes Aidan de Quincy, hatte ihn veranlasst, in London von Bord zu gehen.
    Das Schreiben hing mit einer Nadel befestigt an einer Wand im Büro des Dockmeisters der Ostindienkompanie und befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Der Mann hatte Jack das verknitterte, aufgeweichte Papier, das nur noch mühsam zu entziffern war, mit einem entschuldigenden Schulterzucken überreicht. Der Brief sah aus, als sei er ihm um die halbe Welt gefolgt, bloß um dann zu Hause auf ihn zu warten.
    Als er den Bogen auseinanderfaltete, ließen sich lediglich einzelne Worte entziffern. » Kehr sofort zurück « , » Deine … wartet hier auf dich « und zuletzt: » Du kannst nicht ewig vor ihr fliehen. «
    Ihr.
    Aidan konnte nicht sie meinen. Nicht die Frau, die Jacks Gedanken nach wie vor bei Tag und Nacht gefangen hielt, sodass er kaum Schlaf fand. Deren leises Stöhnen und liebevolles Flüstern noch immer in seinen Ohren nachhallte und ihn taub machte für die Avancen anderer Damen. Unmöglich, dass Aidan sie meinte. Zumal Jack keiner Menschenseele je erzählt hatte, was damals bei den Clarkes passiert war, und es konnte fast als sicher gelten, dass auch die Familie nichts hatte verlauten lassen.
    Trotzdem hatte diese als äußerst gering einzuschätzende Möglichkeit ihn aus seiner Erstarrung gerissen und ihn bewogen, seinen Fuß auf den unwirtlichen englischen Boden zu setzen. Dieses verdammte, kaltherzige England.
    Während Jack durch die wabernden Morgennebel die Dockanlagen hinunterging und sich um einen einigermaßen würdevollen Gang bemühte, versuchte er sie aus seinen Gedanken zu vertreiben – nicht ihr Gesicht in einem beliebigen milchigen Wirbel zu entdecken oder ihre verlockenden Kurven in einer sanft gewellten Wolkenbank. Er wollte sich durch den heller werdenden Himmel auch nicht an das klare Blau ihrer Augen erinnern lassen und erst recht nicht durch die frische Morgenbrise an ihr seidiges Haar, das über seine Haut strich, während sie Küsse auf seinem Körper verteilte.
    Nein, er durfte nicht an sie denken, nicht wieder. Schließlich hatte er es vor langer Zeit geschafft, sie endlich aus seinem Kopf zu verbannen.
    Bei seiner Ankunft stand die Tür zum Brown’s im
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