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Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord
Autoren: Celeste Bradley
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das Kind offenbar bedenkenlos in eine Pflegestelle gegeben hatte. Auch das war neu in seiner grauen Welt. Zorn bedeutete, dass ihm etwas am Herzen lag, und war somit ein weiteres Indiz für seine langsame Rückkehr in ein normales Leben. Jede neue Gefühlsregung legte in seiner Seele verschüttete oder gar verloren geglaubte Empfindungen frei. Vertraut und zugleich ungewohnt.
    Die Kutsche kam sanft zum Stehen, und Jack blickte aus dem Fenster auf eine kostbare Marmortreppe, die zu der reich mit Schnitzereien verzierten doppelflügeligen Eingangstür führte. Livrierte Diener schwärmten aus, um sich um die Gäste, die Pferde und die Equipage zu kümmern.
    Jack zeigte sich wenig beeindruckt. Strickland existierte schon länger als dieser Landsitz hier, war mindestens genauso luxuriös und besaß fünfmal so viel Grund und Boden. Amaryllis hatte sich zwar gut verheiratet, war eine betuchte Countess, aber mit etwas mehr Geduld wäre sie an seiner Seite eine geradezu obszön reiche Marquise geworden, die auf jede bloß wohlhabende gräfliche Ehefrau heruntergeschaut hätte. Allein schon wegen des höherrangigen Adelstitels.
    Leider gehörte Geduld nicht zu Amaryllis’ hervorstechenden Eigenschaften.
    Jack und Melody wurden sofort ins Haus gelassen und in einen Empfangssalon geführt. Der Raum glänzte und glitzerte mit seinen Vergoldungen und Kristalllüstern so sehr, dass die sonst unerschrockene Melody sich an Jacks Bein klammerte und eingeschüchtert einen Zipfel von Gordy Anne in den Mund steckte. Jack lehnte es ab, Platz zu nehmen. Zorn war wirkungsvoller, wenn man stand, erinnerte er sich.
    Nach einer geraumen Zeit, die fast schon als unhöflich gelten musste, öffnete sich die Tür, und Amaryllis schwebte herein, groß und elegant, das Haar so dunkel wie feinster Nerz und die Augen eisblau wie tiefe Bergseen. Perfekte Gesichtszüge, eine reizvolle Figur, erlesene Kleidung. Alles an ihr zeugte von Geschmack und Stil.
    Sie war genauso schön wie beim letzten Mal, als er sie gesehen hatte, nur wirkte sie auf ihn irgendwie gekünstelt und dressiert. Eine perfekte Dame der Gesellschaft.
    Sie beobachtete seine Reaktion genau, auch wenn sie gleichmütig tat. » Jack? Sind Sie das wirklich? Himmel, was in aller Welt führt Sie denn in dieses langweilige alte Haus? «
    Er wartete gespannt darauf, dass sich irgendein Gefühl in ihm regte, doch ihr Anblick ließ ihn vollkommen kalt. Bis auf den Zorn.
    » Ich bin hier, um mit Ihnen über unser Kind zu sprechen. «
    Amaryllis warf einen gelangweilten Blick in Melodys Richtung. » Ich habe keine Kinder, Darling. Das weiß doch jeder. «
    Ohne ein weiteres Wort drehte sich Jack um und ging mit Melody zur Tür des Salons. Er deutete auf die unterste Stufe der eindrucksvoll geschwungenen Treppe. » Setz dich. «
    Das Kind gehorchte, presste Gordy Anne fest an sich und schaute ihn mit diesen Augen an. Erkannte Amaryllis sich wirklich nicht in den Zügen des kleinen Mädchens wieder?
    Jack sah, wie Melody ihre Unterlippe vorschob.
    Sie glaubt, du wärst wütend auf sie.
    » Ich bin nicht böse auf dich, Melody. «
    Große blaue Augen blinzelten und füllten sich mit Tränen. O Gott. Sorge war ein ganz neues Gefühl für ihn, mit dem er noch nicht umgehen konnte.
    » Melody, ich werde mich mit der Lady im Salon streiten und ihr einige hässliche Sachen sagen. Weil ich nicht möchte, dass du das mit anhören musst, bleibst du bitte ein paar Minuten hier draußen sitzen. In Ordnung? «
    Ihre Miene hellte sich auf, und die Tränen versiegten. » Du bist wütend auf die Dame? «
    » Das bin ich. «
    » Gordy Anne mag die Lady nicht. «
    Mist! » Vielleicht mag Gordy Anne sie ja nach einer Weile ein bisschen mehr. Wenn sie sie besser kennt, meine ich. «
    Melody nickte, doch Jack musste zugeben, dass Gordy Anne nicht sehr versöhnlich aussah.
    » Versprichst du mir hierzubleiben? «
    Wieder nickte Melody, und Jack sah noch, wie sie ihre Lumpenpuppe den polierten Handlauf am unteren Ende der Treppe entlanggleiten ließ, bevor er in den Salon zurückkehrte.
    Amaryllis hatte sich auf einem Sofa in Positur gesetzt und blickte Jack erwartungsvoll entgegen. Die stumme Aufforderung, sich neben sie zu setzen, ignorierte er.
    » Wie können Sie abstreiten, mein Kind bekommen zu haben? «
    Die junge Frau stieß geräuschvoll den Atem aus, gab ihre verführerische Pose auf und griff stattdessen nach einem Praliné in einer Schachtel, die auf einem Tischchen neben ihr stand. » Zum letzten Mal: Ich
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