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Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Titel: Ein Tag in Barcelona (German Edition)
Autoren: Daniel Brühl , Javier Cáceres
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war dann tagelang um diese ehrwürdige Spezialistentruppe herumgeschlichen, ehe ich sie zu fragen wagte, ob ich mitspielen dürfe. Das kostete echt Überwindung. Dort die wahren Boule-Cracks, hier ich, der grüne Amateur, ein Anfänger vor dem Herrn, der bislang nur hin und wieder am Strand mit Plastikkugeln geworfen hatte. Als ich schließlich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, guckten mich die sechs Petanca-Dinosaurier amüsiert an. Doch dann luden sie mich nicht nur ein mitzuspielen. Sie offenbarten mir die grundlegenden Geheimnisse des Spiels.
    Beim Boule-Spiel gibt es die Leger, also Spieler, die ihre Kugel möglichst nah und präzise an das Couchonet werfen – das Schweinchen, wie das kleine Holzkügelchen heißt.
    Ein guter »Schießer« dagegen schafft mit geschultem Auge und gekonntem Wurf die Kugeln des Gegners aus dem Weg. Beim Boule-Spielen gibt es nichts Spektakuläreres. Mir hat Francisco beigebracht, wie man das anstellt. Und dafür bin ich ihm mein Leben lang dankbar. Ich solle mir Zeit nehmen, sagte er mir immer, »bleib ruhig, streck deinen Arm aus, visier die Kugel an, die du treffen willst, atme ruhig und gleichmäßig – und dann schieß die Mistkugel weg.« »¡Sí, señor! ¡¡Así!!« Heute ist der Park gepflegt wie immer. Und wie immer treffe ich nur Leute aus der Nachbarschaft an, die mit ihren Hunden spazieren gehen und sich mit großer Ernsthaftigkeit über die Befindlichkeiten ihrer vierbeinigen Lieblinge austauschen. Als Kind habe ich bei solchen Gelegenheiten immer die Ohren aufgesperrt und dadurch Dinge gelernt, die man sonst nicht erfährt: zum Beispiel dass Dackel Blähungen haben können. Oder dass sich die Menschen die Mäuler zerreißen. Und einmal erfuhr ich auf diese Weise auch, dass man sich bei uns im Haus etwas erzählt hatte, das gar nicht stimmte. Von wegen, die Nachbarstochter Conchi darf nicht an den Altar, weil ihr Verlobter, irgendein Ramón, wegen Steuerhinterziehung Ärger mit den Behörden hat! Er soll nicht mal mehr Geld für den Smoking und die Ringe gehabt haben, von den arras ganz zu schweigen – jenen dreizehn Münzen also, die der Bräutigam der Braut übergibt, als Symbol dafür, dass er all seinen Reichtum in ihre Hände legt. Ich weiß noch, dass ich diese Geschichte nie verstanden habe. Ich dachte, die Liebe steht über solchen Dingen und so. Bis dann im Park mein Weltbild zumindest wieder ein bisschen zurechtgerückt wurde.
    »Pah«, sagte da nämlich einer mit einem Schäferhund an der Leine, vor dem ich mich mächtig gruselte, so laut, dass es jeder hören konnte: »Steuerhinterziehung, por favor  … Der hat doch ’ne Neue!« – »Kein Wunder, so wie die Alte aussieht«, sagte der andere.
    Auch jetzt, während ich wieder durch den Parc del Putget gehe, könnte ich sicher solche Geschichten hören, doch ich mache mich lieber auf die Suche nach den »Sportlern«. Und finde sie auch fast auf Anhieb. Erfreut stelle ich fest, dass sie immer noch in der alten Besetzung spielen, nur Juan kann ich nirgendwo entdecken. Alle anderen sind da: Francisco, Agustí, Pepe, Lluís und die einzige Frau, Carmencita, die nicht nur wegen ihrer exzellenten selbstgemachten Empanadas mit Thunfischfüllung in der Macho-Runde geduldet wird, sondern vor allem wegen ihrer ruhigen Hand beim Legen der Kugeln.
    » Chiquito , verflucht, was machst du denn hier?«, brummt Francisco mit seiner Raucherstimme, umarmt mich wie einen Enkel und gibt mir links ein Küsschen und rechts ein zweites, als wäre er Diego Maradona und ich ein argentinischer Nationalspieler. Immerhin lässt er meinen Hintern in Ruhe, denke ich.
    »Super, dass du gekommen bist!«, sagt er, »Juan, der kleine maricón, schwächelt mal wieder! Er bildet sich ’ne Schweinegrippe ein: Du musst für ihn einspringen!«
    Auf meine Bohnendrama-Geschichte und die Entschuldigung, dass ich eigentlich keine Zeit habe und quasi schon auf dem Weg sein müsste, ernte ich mürrisches Gegrummel und einen Blick von Francisco, der einen Sechshundert-Kilo-Stier wie den berühmten Idílico sofort kaltmachen würde.
    »Also gut«, sage ich. »Aber nur eine Runde.«
    Sofort gibt’s als Belohnung eine Empanada und ein herzerwärmendes Grinsen vom Chef. Mit ihm möchte man auch tatsächlich keinen Stress haben, in seinem zerfurchten Gesicht und in seinen breiten Handflächen kann man sehen, was er alles durchgemacht hat in seinem bewegten Leben. Ab und zu, wenn die anderen schon weg waren und wir die Piste gefegt haben, um
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