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Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Titel: Ein Tag in Barcelona (German Edition)
Autoren: Daniel Brühl , Javier Cáceres
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Eltern in die Haare gerieben wird. Meine Eltern waren da nicht so scharf drauf, weder auf den Geruch nach Lejía noch auf Nenuco. Aber manchmal, wenn beide noch in Köln zu tun hatten, blieb ich eine Zeit bei meiner Tante Juani in der tollen Wohnung in der Carrer del Roselló in Eixample, und da war beides unumgänglich.
    Meine Tante Juani, die Schwester meiner Mutter, war eine hinreißend aussehende Frau. Meine Mutter hütet noch Urlaubsfotos aus Mallorca, auf denen sie aussieht wie ein blonder Filmstar. Wie die junge Brigitte Bardot. Ihr Mann, mein Onkel Juan, war ein kräftiger katalanischer Klotz von Mann, der mir mit seinen Bärenpranken immer in die Wange kniff und mich »Pescadilla« nannte, kleines Fischchen, weil ich als Kind so spradellig und mager war.

    Juan Juani
    Beim Frühstück lachten mich deshalb auch immer zwei biquinis, eine Tortilla, Croissants und drei Äpfel an. Wie ein Mastschweinchen fühlte ich mich, und das, obwohl ich alles, was ich nicht vertilgen konnte, heimlich weggeschmissen habe.
    Ansonsten waren die Tage ein Traum. Meine drei smarten, gutaussehenden Lieblingsvettern Carlos, Tito und Javi haben immer etwas Aufregendes mit mir unternommen.
    Tito ist mit mir die Avinguda Diagonal auf seinem schicken Montesa-Motorrad entlanggepest, und wir haben den süßen Mädchen der Zona Alta, dem »hohen«, weil »besseren« Viertel, hinterhergepfiffen. Zu der Zeit war ich so um die neun und fühlte mich zum ersten Mal wie ein Mann, weil Tito mich vorne sitzen ließ und ich mir vorstellen konnte, ich würde selber das Motorrad lenken! Carlos, den wir auch Charly nannten, war mehr so der Athlet – ein Kraftpaket mit amtlichem Tableta-de-Chocolate-Bauch, wie die Spanier den Sixpack nennen: Schokotafel. Er hat mir gezeigt, wie man Liegestütze macht und beim Armekreuzen mit den Daumen den Bizeps vergrößert, wie man beim Armdrücken pfuschen kann und, vor allem, wie man sich die Schuhe zubindet – die bis heute mit Abstand wichtigste Lektion.
    Javi, der Geschäftsmann, hat mir immer von seinen neuen, großen Plänen erzählt, wie er »millones y millones de pesetas« verdienen will, Millionen und Abermillionen Peseten. Fasziniert von seinen tollen Geschichten, kam ich mir vor wie ein Schiffsjunge, der den Abenteuern seines Kapitäns lauscht, was aber vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass ich hin und wieder mit ihm Schiffsknoten über Murmeln gestülpt habe, um daraus Schlüsselanhänger zu machen – eine dieser genialen Ideen, die ihm meines Wissens keine Millionen eingebracht haben.
    Mich interessierte sowieso etwas anderes: Abends durfte man bei Tante Juani und Onkel Juan Coca-Cola trinken, »Der Weiße Hai« gucken und bis um eins aufbleiben. Zu Hause undenkbar, und somit ein Traum!
    Der Song ist vorbei. Aaah, wie gut es riecht hier oben, kein Smog, keine Vespa-Schwärme, nur die alte, von Touristen bevölkerte Tramvia Blau, die sich die Kurven hochschleppt. Ich gehe immer schneller und berausche mich an den immer schöneren, immer herrschaftlicheren Villen mit ihren Gittertoren.
    Sie entstanden, als den betuchteren Barcelonesen die Stadt zu eng wurde. Vor anderthalb Jahrhunderten lag diese Gegend noch jenseits der Stadtgrenzen. Nicht wenige Villen wurden als Landresidenzen errichtet, waren konzipiert als verspielte Urlaubshäuser, in denen man das Wochenende verbrachte. Heutzutage sind die allermeisten Familien längst ausgezogen und die Gebäude an Unternehmen verkauft. Entsprechend seelenlos muten die Fassaden nun an. Manchmal sieht man noch Gärtner eine Hecke schneiden, nur noch ganz selten mal ein dickes Kind wie den Jungen, der gerade im Schatten einer Palme seinen morgendlichen Cacaolat schlürft. Ay, Cacaolat! Das ist der süßeste Kakao überhaupt, der wird dem kleinen Moppel im rosa Marken-Polohemd bestimmt nicht guttun. Oder spricht da bloß der Neid aus mir? Er scheint meine Gedanken erraten zu haben und macht ein Furzgeräusch, als ich an ihm vorbeigehe.
    Ja ja, mein Dicker, hier oben ist die Welt in Ordnung, hier haben die Leute Kohle, hier tut dir keiner was. Wie gern würd ich dich mit ins rebellische Raval nehmen und zuschauen, wie du mit den Arbeiterkids Räuber und Gendarm spielst …
    Weiter geht’s die Avenida del Tibidabo runter. In der Hausnummer 32 spielt sich das geheimnisvolle Liebesdrama im wunderbaren Barcelona-Roman »Der Schatten des Windes« von Carlos Ruiz Zafón ab. Ich bleibe kurz davor stehen und versuche, mir die Geschichte in Erinnerung zu
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